Kein Pardon für linke Aktivisten

In Frankreich werden linke Protestbewegungen von einer unnachgiebigen Polizei und Justiz zunehmend kriminalisiert. Jetzt wird auch noch das Jugendstrafrecht verschärft. Künftig drohen schon 13-jährigen Wiederholungstätern Gefängnisstrafen

Gemeinsam ist den Aktivisten, dass sie keine Sympathien der Regierung genießen

aus Paris DOROTHEA HAHN

Die Bedingungen für soziale Bewegungen in Frankreich sind härter geworden. Polizei und Justiz fackeln nicht mehr lange, bevor sie Aktivisten ins Gefängnis werfen. Das bekommen gegenwärtig verschiedene Linke an verschiedenen Ecken des Landes zu spüren. Im normannischen Cherbourg wurde am Donnerstag Alain Hébert, Gewerkschafter der CGT, zu einem Monat Gefängnis und einer Geldstrafe verurteilt. Im östlichen Straßburg wurden am Mittwoch 16 Teilnehmer eines globalisierungskritischen Sommerlagers verhaftet. Ihre Organisation „no border, no nation“ erhielt für die nächsten Tage ein Demoverbot. Und nahe des südwestlichen Montpellier sitzt immer noch der schnauzbärtige Bauerngewerkschafter José Bové im Gefängnis – obwohl der Haftprüfungsrichter schon vor Wochen seine vorzeitige Freilassung empfahl.

Die politischen Anliegen der Inhaftierten sind unterschiedlich. In Cherbourg richtete sich der Protest gegen eine Krankenhausschließung, bei der die Region zahlreiche Betten verliert. In Straßburg zielt der Protest gegen die polizeiliche Erfassung im computerisierten Schengen-Informationssystem (SIS). Und in Südwestfrankreich demontierte Bové zusammen mit anderen Bauern vor zwei Jahren eine McDonald’s-Baustelle, um gegen den den „Scheißfraß“ und ein Handelsboykott der USA zu demonstrieren, das immer noch in Kraft ist. Gemeinsam ist den Aktivisten, dass sie keinerlei Sympathien bei der neuen Regierung in Paris genießen.

Dem Gewerkschafter Hébert, den seine Kollegen seit mehr als drei Jahrzehnten als Pazifisten kennen, wirft ein Polizist vor, er habe ihn bei der Demonstration am Krankenhaustor geschlagen. Dass die Kollegen des Polizisten widersprüchliche Aussagen lieferten und sämtliche Augenzeugen auf Seiten der Demonstranten etwas anderes gesehen haben, beeindruckte das Gericht nicht. Hébert, eine zentrale Figur der normannischen Linken, riskiert infolge des Urteils seine gewerkschaftliche Vertretung nicht mehr wahrnehmen zu dürfen. Die jungen Leute in Straßburg sollen Graffitti gesprüht und eine Bankvitrine sowie Polizeikameras zerstört haben. Sie selbst werfen letzteres „Polizeiprovokateuren“ vor, die sich in ihre Reihen eingeschlichen hätten, während sie für die Schließung lokaler Abschiebezentren demonstrierten.

In den französischen Medien kommen die linken Aktivisten kaum noch vor. Bové, der noch vor Jahresfrist ganze Dossiers in den Illustrierten füllte, reicht nur noch für eine Kurzmeldung, wenn er wie Anfang Juli einen Hungerstreik im Gefängnis veranstaltet. Über das Gerichtsverfahren von Cherbourg, das manche Gewerkschafter als Einschüchterungsversuch für ihre politische Arbeit verstehen, berichteten nur Le Monde und L’Humanité. Beide Zeitungen zeigen skeptische Distanz gegenüber der Justizentscheidung. Und der kommunistische Abgeordnete Jean-Claude Lefort weist in einem Kommentar zu Bové darauf hin, dass die militanten Aktionen der regierungsnahen rechten Bauerngewerkschaft FNSEA keine juristischen Folgen haben, obwohl dabei regelmäßig Markthallen, Eisenbahnschienen und dergleichen zerstört werden und ein viel höherer Sachschaden entsteht als bei einer symbolischen Mc-Donald’s-Demontage.

Auch eine ganz andere Bevölkerungsgruppe wird künftig die neue Härte zu spüren bekommen: straffällig gewordene Kinder und Jugendliche. Der französische Senat debattierte in dieser Woche über eine Justizreform, über die Anfang August die Nationalversammlung abstimmen wird. Danach können künftig schon Kinder ab zehn Jahren mit strafrechtlichen Sanktionen belegt werden. Jugendlichen Wiederholungstätern ab 13 Jahren droht die Einweisung in geschlossene Heime. Wenn sie Fluchtversuche machen, riskieren sie Gefängnis. Mit dreizehn.

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