Das Straßenbild

Die Reklamerezension. Heute: Menschen unter Strom

Seit Wochen bepflastert Berlins altgedienter Stromversorger Bewag die Stadt mit Plakaten. Da gibt es das beeindruckende Motiv mit der röhrenden Brünhilde: blond bezopft, in Harnisch und mit Germanenhelm angetan, schmettert sie offensichtlich eine Wagner’sche Donnerarie ins unsichtbare Publikum. Der Text dazu bleibt ein wenig dunkel: „2.900 kWh Charakter. Bewag – Die Kraft dahinter.“ Was soll das heißen? Ist Brünhilde kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern eine Replikantin, die pro Stunde Operneinsatz 2.900 Kilowattstunden Strom verbraucht? Oh je, denkt man, wenn Hildegard und Alberich und wie sie alle heißen auch elektrisch sind, ist’s kein Wunder, wenn Berlins Opernhäuser von Schließung bedroht sind. Aber gut, tröstet man sich sogleich, „Charakter“ kostet immer etwas mehr.

„Neugier“ hingegen scheint fast umsonst zu sein. Der soignierte ältere Herr nämlich, der auf einem anderen Bewag-Plakat sein Antlitz fotokopiert, verbraucht hierbei nur 0,001 kWh Bewag-Strom. Das ist günstig, dürfte vom Ergebnis allerdings nicht ganz zufrieden stellen. „So wird das nix“, möchte man dem Herrn zurufen. „Sie müssen schon ihr ganzes Gesicht auf die Glasplatte legen.“

Und dann gibt es noch das Motiv mit dem kreischenden Rocker, der Koteletten trägt, wie man sie früher von der Follyfoot-Farm kannte. Hier ist der Text noch dunkler: „10.000 Watt im Körper. Und nichts gestehen müssen.“ Wie jetzt? Zehntausend Watt auf einmal? Was gibt denn das für eine Stundenleistung? Das bräuchten wir ein wenig präziser. Aber um Gottes willen, der Text geht ja noch weiter: „Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“ Hier geht es gar nicht um die Bewag! Sondern um eine Imagekampagne des Deutsche Bundestags. Damit auch die Jugend Politik versteht. Aha, Politik auf MAD-Niveau. Deutscher Bundestag, ist unsere Jugend wirklich so schrecklich? RKR