Nach 12 Monaten ist alles zumutbar

von ULRIKE HERRMANN
und REINHARD WOLFF

Wie in den Niederlanden, so scheint sich auch in Dänemark ein Wunder ereignet zu haben: Musste man 1993 noch 12,3 Prozent Arbeitslose verzeichnen, so kann das Land inzwischen eine Quote von knapp über 4 Prozent melden. Der Finanzminister freut sich über Überschüsse im Haushalt.

Entsprechend zufrieden sind die Dänen. 66 Prozent loben die Sicherheit, die das Sozialsystem ihnen bietet. Das ist erstaunlich, denn die gesetzlichen Arbeitnehmerrechte sind schwach ausgestaltet. So gibt es fast keinen Kündigungsschutz; je nach Branche beträgt die Schonfrist zwischen einer Woche und drei Monaten. Bauarbeiter können ihren Arbeitsplatz sogar innerhalb von zwei Tagen verlieren, aber auch sie selbst dürfen von einem Tag auf den anderen gehen. Diese Flexibilität ist ein Standortvorteil, findet die dänische Regierung, die damit auf ihrer Internetseite wirbt, um ausländische Investoren anzulocken.

Eine überraschende Kündigung muss für die Beschäftigten keine Katastrophe sein – wenn das soziale Schutznetz dicht geknüpft ist. Und das ist es in Dänemark, obwohl ein bisschen gespart wurde. So erhalten Arbeitslose immer noch 90 Prozent ihres Nettolohnes ausgezahlt. Allerdings: Spätestens nach zwölf Monaten hört die Großzügigkeit auf, gilt jeder Job als zumutbar. Die einstige Berufsqualifikation – sie zählt nicht mehr. Und nach vier Jahren Arbeitslosenunterstützung bleibt nur noch die Sozialhilfe, die recht großzügig ausfällt.

Wie die Schweden setzen die Dänen zudem auf „Aktivierung“, um Langzeitarbeitslose wieder mit einem Job zu versorgen. Spätestens nach einem Jahr muss die Arbeitsmarktbehörde (AMS) jedem Arbeitslosen eine „Aktivierungsstelle“ anbieten, um ihn weiterzuqualifizieren und einen individuellen „Handlungsplan“ zu entwerfen.

Verschwunden ist auch die Jugendarbeitslosigkeit, denn – negativ formuliert – es existiert eine Art von Arbeitszwang. Positiv gewendet: Jugendliche ohne Job erhalten Arbeitsplätze und Weiterbildungsmöglichkeiten vom Staat.

Inzwischen wurden diese Fortbildungsmaßnahmen mehrfach evaluiert – und das Ergebnis ist das Gleiche wie in Schweden: Wenn die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt, dann nicht etwa weil sie an einer Qualifizierung teilgenommen haben. Vielmehr sind sie aufgesogen worden von der anspringenden Konjunktur. Und sie verlieren ihre neuen Arbeitsstellen wieder, sobald sich die Konjunktur abschwächt.

Und es gibt noch eine andere auffällige Kehrseite: Der dänische Staat hat es nicht geschafft, die ausländischen Mitbürger zu integrieren. Obwohl sie weniger als 5 Prozent (Deutschland: 8,9 Prozent) der Bevölkerung ausmachen, sind sie zu 60 Prozent arbeitslos.