ZEITUNGSKRISE: HONORATIOREN FEUERN JUNGREDAKTEURE
: Die Alten gewinnen den Verteilungskampf

Journalisten in Berlin erleben derzeit fast wöchentlich kleine Morde unter Freunden. Am Samstag stellte die Süddeutsche Zeitung ihre überregionale Berlinseite ein, die „Berliner Seiten“ der FAZ sind schon verschwunden, und die Controller des Holtzbrinck-Verlags beugen sich mit spitzem Stift über den regionalen Tagesspiegel und das soeben hinzugekaufte Schwesterblatt Berliner Zeitung. Zwar sprechen die Ökonomen kühl vom Abbau von Überkapazitäten, und die Feuilletonisten sehen die Berlin-Bubble denselben Weg nehmen wie zuvor die New-Economy-Blase. Doch mit Berlin hat diese Zeitungskrise nur an der Oberfläche zu tun.

Vor allem geht es um Marktbereinigung als Generationenkrieg. Egal, ob Sparbeschlüsse derzeit in München, Frankfurt oder demnächst wohl auch in Hamburg fallen – es gilt das Prinzip: Die Alten dürfen feuern, die Jungen müssen gehen. Beim preisgekrönten SZ-Jugendmagazin jetzt, das heute zum letzten Mal erscheint, sind die Macher wenig älter als die Leser, und die Crew ihrer Kollegen von der Berlinseite hatte in der Mehrzahl den 30. Geburtstag kaum hinter sich gelassen. Auch erste Schnitte bei der Frankfurter Rundschau treffen vor allem junge Redakteure mit Zeitverträgen. Und die „Berliner Seiten“ waren nicht nur die Hauptstadtbühne der FAZ, sondern vor allem ihre Journalistenschule. Lässig verzichten Chefredakteure von Nord bis Süd damit auf den dereinst für unentbehrlich gehaltenenen jungen Blick für junge Leser.

Die Generation Golf wird damit unsanft aus dem Irrglauben geweckt, dass der Jugendwahn dieser Gesellschaft die Jugend begünstige. Die Verteilungskämpfe zwischen Jung und Alt, die in der Rentendebatte noch reichlich abstrakt klangen, sind Gegenwart geworden. Und siehe da: In der Pfründenrepublik Deutschland haben wieder die Honoratioren das Sagen. Weil sie nicht mehr im Frack daherkommen, sondern in Motorradkluft wie der neue Verteidigungsminister, ist ihnen unvorstellbar, sie könnten von gestern sein.

Jetzt kostet der Jugendwahn die Jugend den Kopf – wenn’s knapp wird, halten sich die Alten für jung genug, den Job allein zu machen. PATRIK SCHWARZ