Uschis Cocktailspießchen-Erotik

Das Museumsdorf Cloppenburg und das Oldenburger Horst Janssen-Museum widmen dem Cloppenburger Pop-Art-Künstler Werner Berges zum sechzigsten Geburtstag eine Doppelausstellung

Pop-Art, das war der Aufschrei der Sechziger- und Siebziger-Jahre-Kunst, der ironische Kommentar zur technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerkes. Es war ein Anschlag auf die Vermassung konsumierbarer Oberflächen, die Stilisierung von Alltagsikonen. In Deutschland gab es nur einen wirklichen Pop-Art-Künstler, und der kommt aus Cloppenburg.

Werner Berges wird 60 Jahre alt, also schlossen sich das Oldenburger Stadtmuseum und das Museumsdorf Cloppenburg zu einer großen Werkschau zusammen. In dem bisher 40-jährigen Oevre des Künstlers nimmt die Pop-Art Phase zeitlich einen vergleichsweise geringen Raum ein. Doch die Werke zwischen 1967 und 1975, die während der Berliner Jahre entstanden, brachten Berges auch internationale Aufmerksamkeit. Diese Arbeiten bilden den Schwerpunkt der Oldenburger Ausstellung.

Es sind großformatige, schrillbunte Siebdrucke, in denen die Farben knallhart nebeneinander stehen, da Siebdruck keine Mischfarben erzeugt: Orange beißt Blau, Rot erschlägt Gelb. Die Drucke zeigen große Augenaufschläge unter schweren Wimpern, sinnliche Münder und – meist nackt –die Frauen der Siebziger, als alle Uschi hießen und sich sexuell befreiten.

Berges erweitert den zweidimensionalen Raum über geschickte Irritationen. Denn die oft schablonenhaft ausgesparten Figuren bleiben nicht einheitlich als Scherenschnitt stehen. Die sie füllenden Farbflächen, Streifen oder auch die großen Rasterpunkte laufen über in den Bildhintergrund, während Partien der Figur – etwa ein Arm – farblich ausgespart bleiben. Durch diese Verschiebungen im Bildraum wird der Blick gehalten, denn Uschi will ihm immer wieder entgleiten.

Wie‘s gemacht wird, ist Berges Thema, und natürlich auch die Entzauberung der glatten Werbeästhetik, der Filmschönheit, die Aufrasterung der Erotik in der Darstellung. Körperteile, Farben werden zu reinen Bildelementen zerlegt, auf quadratische Raster verteilt, im Bild zur Serie montiert oder andersfarbig noch mal ins Bild gedruckt: Uschi in Blau, und Gelb, zum Beispiel bei “June-Girl“ (1972).

Der Akt „Liegende Gestalt“ von 1972 weckt erotische Assoziationen. Aber senkrechte Linien, die wie Cocktailspießchen ins Fleisch stechen, zeigen in kleinen Kreisen den Farbwert der getroffenen Stelle an: Entzauberung der Werbewelt, Serialität in der Kunst (“Ohne Titel“ 1976) als Kritik an der Konsumverdummung der Wahrnehmung. Zerlegte Bildteile und Rasterpunkte treiben bunten, psychedelischen Blasen gleich im Bildraum zu neuer Ordnung, funktionslos, ornamental.

Graphisches und Ornamentales beherrschen auch die Rückkehr von Werner Berges in die Malerei. Zunächst wirkt die Abkehr von der Zweidimensionalität der Pop-Art Phase – etwa zeitgleich mit dem Umzug nach Freiburg – wie ein Aufatmen. Berges arbeitet wieder vor der Natur, malt Landschaften, Plätze mit Menschen. Er entdeckt das Aquarell. Und zwar großformatig: „Wer kommt denn da“(1989) ist eine vierteilige Arbeit. Menschen schieben sich über einen Platz, teils aus der Vogelperspektive, teils von der Seite. Der Raum erweitert sich somit um eine Dimension, doch die Konstruiertheit der Szene wird durch das Raster der vier Bildteile thematisiert.

In „Cadaques“ werden die Figuren zu Formkürzeln, die fröhlich durch einen graugetönten Bildraum fluten. Primärfarben, ornamentale Formen – nicht die reine Malerei, sondern immer noch die Fläche, in den meisten Aquarellen auch immer wieder, die Linie. Sie umschreibt die Form, und das Gewölk der ausfasernden Aquarelltöne darf nur in den Bildhintergrund wuchern. Auch in diesen Großformaten thematisiert Berges das Serielle.

Collagenhaft ist ein kolorierter Entwurf zu den Arbeiten „Paarweise“ und „Couple“ (2001) in das untere Bildviertel montiert. Farbwirkungen, ihr erzählerisches Repertoire in der gegliederten Fläche, gezügelt von der Linie zu filmschnitthaften Abfolgen, die Emanzipation der Farben, ihr Triumpf über die Form, da sie alle Ordnung sprengen und sich als ornamentales Band im Auge festsetzen wollen – das sind die Entwicklungen im späteren Werk von Werner Berges. Marijke Gerwin

Werner Berges Malerei ist zu sehen im Museumsdorf Cloppenburg (noch bis zum 20. 9.), seine Grafik ist ausgestellt im Oldenburger Horst Janssen-Museum (noch bis 11.8.)