Priester im Kloster, Kardinal unter Druck

Nach Pädophilie-Verdacht gegen Priester werfen Reformer und Eltern dem Chef der Bischofskonferenz Untätigkeit vor

FRANKFURT taz ■ Der Nachhall ist heftig, der des Kindesmissbrauchs beschuldigte katholische Priester E. aus dem Bistum Mainz vorerst beurlaubt und in einem Kloster entschwunden. Der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, kündigte gestern an, er werde den Vorwürfen „rasch und intensiv“ nachgehen. E. soll ab 1988 einen damals 14-jährigen Ministranten über Jahre hinweg sexuell missbraucht haben.

Einige Eltern waren schon seit Jahren misstrauisch geworden und hatten den Mann, der zuletzt Schulseelsorger in Rüsselsheim war, öffentlich der Pädophilie beschuldigt. Auch in anderen Pfarreien, in denen der 47-Jährige tätig war, soll es den Verdacht sexueller Übergriffe gegeben haben.

Die Basis- und Reformbewegung „Wir sind Kirche“ hat deshalb schwere Vorwürfe gegen die Bischofskonferenz und ihren Oberhirten Lehmann erhoben. Sie hätten seit mindestens Sommer 1999 von den Neigungen des Pfarrers gewusst und nicht gehandelt. Ein Bistumssprecher erklärte, man habe nur von Streitigkeiten in der Gemeinde gewusst. Ein illegal aufgenommenes Tonband sei deshalb liegen geblieben und nie abgehört worden. Von sexuellem Missbrauch sei erst seit Mitte Juni 2002 die Rede gewesen. Ein Verein, der sich um sexuell misshandelte Kinder kümmere, habe sich schriftlich an Kardinal Lehmann gewandt. E. sei danach sofort beurlaubt worden.

Dass E. ausgerechnet im eigenen Bistum tätig war, bringt Kardinal Lehmann zusätzlich unter Druck. Noch im April hatte er im Zusammenhang mit zahlreichen in den USA bekannt gewordenen Fällen pädophiler Priester zugesagt, man werde Verdächtige auch in Deutschland innerkirchlich unnachgiebig verfolgen und sich an die vom Papst ausgegebenen strengen Richtlinien halten. Christian Weisner, Sprecher von „Wir sind Kirche“, nannte den Fall E. „nur die Spitze des Eisbergs“. Er begrüße den „Stimmungswandel“ Lehmanns: „Ich hoffe, er tut auch etwas.“

„Wir sind Kirche“ sieht die Ursache von sexuellem Missbrauch durch katholische Geistliche in dem strengen Zölibat, fordert dessen Aufhebung und die Einrichtung unabhängiger Ombudsstellen. Im Juni wurde das Notruftelefon „Zypresse“ eingerichtet (01 80 / 3 00 08 62). Sollten sich die Anrufe häufen und ähnliche Interessengruppen entstehen wie in den USA, müsste auch in Deutschland mit Zivilklagen und Schadenersatzforderungen der Betroffenen gerechnet werden.

Die zuständige Staatsanwaltschaft Darmstadt teilte mit, dass sie gegen Pfarrer E. ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Kindesmissbrauchs eingeleitet habe. HEIDE PLATEN