Oh-Ton am Messertisch

Für alle Sinne: Stephan Froleyks inszeniert Elefantengetröte und Hornissenschwärme im Oldenburger Schlosspark

Ein Specht hämmert an den Bäumen. Ein Bus fährt kreischend in der Ferne. Schweine fangen an zu grunzen und Katzen schleichen über ein Dach. Stephan Froleyks verwandelt den Oldenburger Schlosspark in eine akustische Kulisse für das Hörspiel im Kopf, zu dem der Verein für neue Musik „Oh-Ton“ eingeladen hat.

Der einzige O-Ton der Umgebung aber ist hier: der Bus. Alles andere entsteht am „Messertisch“, ein altes Schulpult, das als Klangkörper dient. An der Tischkante hat der Rheinländer Froleyks in fröhlicher Unordnung Messer festgeschraubt: vom Schälmesser zur feinzackigen Säge. Die traktiert der Musikprofessor wiederum mit Messern: Die werden hier gewetzt, streichen über den Tisch, tanzen über die Klingen, schlagen über die Stränge.

Ein funkiger Bass ertönt, klirrende Klänge, wie vom Eierschneider, schnalzende, schwingende Lautmalereien. Die erzählen ganze Geschichten und tatsächlich hat Froleyks auch für das Radio schon einige Hörstücke komponiert.

Doch seine Kompositionen setzen nicht nur auf diesen amüsanten Höreffekt an den oft neu erfundenen alten Instrumenten der Kindheit. Sondern vor allem auf einer sehr feinsinnigen Tonsetzung mit häufig gegenläufigen rhythmischen Figuren. Die können sich puristisch entfalten, wenn der Schlagzeuger zum Hammer greift und aufgebockte Baumstämme bearbeitet. Diese mal hohlen, mal trockenen Klänge wandern über das Holz, wie Wasserplätschern, und werden irgendwann hart gegenläufig, malen flirrende Texturen.

Was mit Holz geht, muss auch mit einer Zinkbadewanne gehen. Stephan Froleyks dreht die Sache einfach um und bespannt den Rücken der Badewanne mit Saiten, denen er gleich mit zwei Bögen zu Leibe rückt. Ein metallisches Säuseln wie von einem fernen Wind kommt näher, wird tiefer und ein giftiges Kreischen mischt sich ein. Als ob ein Hornissenschwarm heranschwirrt grellgelb und schwarz, aggressive Stacheln schwirren um die Köpfe, schrammen knapp daran vorbei um sich ebenso schnell wieder zu verziehen, in das Gewirr der Obertöne.

Dann kommt die Tuba, diese gesetzte alte Dame. Die hat Nachwuchs bekommen: Sechs zusätzliche Schalltrichter, Metallschnecken aus altem Blech, hängen noch unabgenabelt an der Mutter. Über Plastikschläuche sind sie an verschiedenen Stellen mit dem Rohr verbunden. Jede einzelne Tuba nimmt also an einer anderen Stelle den Ton ab, je nachdem, welche Klappen zugemacht werden.

Ein Flugzeug brummt heran, der Propeller rotiert, dann mischt sich das Alphorn ein: Ein tiefer, wabernder Ton entsteigt dem Grün des Parks, grunzt jetzt, wie ein Didgeridoo. Ein Nilpferd knurrt, es kreischt die Kuh, stampft durch das Schilfrohr heran, flieht, denn jäh trompetet ein Elefant, flatternde Vogelschwärme knattern durch die Gegend. Plötzlich mehrstimmiges Geplapper, mal nah, denn aus dem Off.

Stephan Froleyks schickt auch die eigene Stimme durch den Schlauchsalat, die Wortfetzen wandern durch die Flüstertüten. Eine amüsante Abenteuerreise durch das Reich der Töne, die noch ein paar Sinne mehr zum Klingen brachte als nur das Gehör.

Marijke Gerwin