Die Puschel-Parade

Ausgefallenes Beinkleid und Cheerleader-Dress beherrschten den Rave. Mit mongolischen Schlachtenbummlern unterwegs auf der Love Parade

von DONDOG BATJARGAL
und HELMUT HÖGE

In der Mongolei kennt man die Berliner Love Parade seit 1997. Damals berichtete die Jugendzeitung Super erstmalig über die „größte Technoparty der Welt“. Durch MTV erfuhren die jungen Leute dann Weiteres. In diesem Jahr gab es bereits eine erste Mini-Love-Parade in Ulan-Bator – organisiert von einigen DJs. Etwa 10.000 Technofans, die meisten ganz normal gekleidet, kamen zu dem Platzfest. Als der russische Popsänger Kirkorow im Jahr zuvor dort auftrat, kamen dagegen 35.000 Leute.

Technomusik ist in der Mongolei wie überall eine Mittelschichtmode. In Berlin hatte sich heuer die Unterschicht sogar noch rarer als sonst gemacht, es gab kaum Schwarze, keine Russlanddeutschen, und wenn Türken, dann nur welche auf schlechten Drogen. Es ging auch weit weniger pornografisch zu. Bei den Mädchen dominierte der selbst entworfene Cheerleader-Dress und bei den Jungs der tätowierte Fitnesscenter-Körper. Außerdem wurden überall polnische Fahnen hochgehalten.

Angara, die Jungredakteurin der mongolischen Jugendzeitung Super, hatte diesmal ihr Pailettenjäckchen, das sie 1990 bei der ersten Mini-Misswahl in der Mongolei getragen hatte, ihrer 5-jährigen Nichte Nomin geliehen. Sie selbst war heuer ganz normal angezogen: Als DJ, die sich inzwischen ganzjährig für Technomusik interessiert, zeigte sie diesmal eine quasi professionelle Präsenz: „Trotzdem haben mich viele Jungs, Amerikaner und Holländer vor allem, angesprochen – ‚Wo kommst du her?‘ – und mich auch fotografiert. Zusammen mit meiner Familie, wir waren zu fünft, haben wir uns für den Lkw 27 entschieden, d. h. wir sind die ganze Zeit hinter dem Wagen des Deutsch-französischen Jugendwerks gegangen und haben getanzt. Mich hat es etwas gestört, dass uns fast alle für Südkoreaner hielten und ihnen zum Stichwort Mongolei nur Dschingis-Khan einfiel. Auch hatten viele Schwierigkeiten, sich Vieh züchtende Nomaden plötzlich als großstädtische Technofans vorzustellen.“

Angaras gleichaltriger Neffe Tovshintugs, der in Ulan-Bator Journalistik studiert und das erste Mal auf der Love Parade war, hatte sich die Haare vorher blau gefärbt. Er war anschließend „mehr als glücklich“, obwohl ihm seine Füße vom Tanzen wehtaten. Die Gruppe war noch zum Chill-Out auf den Breitscheidplatz gegangen, wo mehrere DJs Technomusik auflegten. Die fünfjährige Nomin kaufte sich dort einen „Laser-Point“, mit dem sie dann im Dunkeln tanzte. Ihre Tante Enkhtuul war vor allem von den Technofans begeistert, die sich zur Love Parade etwas Besonderes geschneidert hatten: „Ich selbst war ganz normal angezogen, aber viele haben meine langen schwarzen Haare angefasst. Sie dachten, es wäre eine kostbare Perücke.“

Unsere Führer sind die Fünfjährigen! Deswegen hat Nomin das letzte Wort: „Weil mir die alte Michael-Jackson-Jacke von meiner Tante Angara nicht reichte, hat man mir noch schnell hier in Berlin eine Britney-Spears-Hose und Plateauschuhe gekauft. Außerdem Kinderkosmetika in allen Farben. Und zuletzt hat meine Tante Enkhtuul mir noch orangene Sterne ins Haar gefärbt. Auf der Love Parade haben wir uns alle Trillerpfeifen für 2 Euro gekauft und mein Laserpoint hat 10 Euro gekostet. Einiges davon werde ich am Montag mit in die TU-Kita nehmen. Mir hat die Love Parade sehr gut gefallen, viele Leute haben Hallo zu mir gesagt. Inzwischen kann ich auch schon so gut Deutsch, dass ich mich mit ihnen unterhalten konnte. Weil ich am 15. Juli Geburtstag habe, war die Love Parade ein Geburtstagsgeschenk für mich, wofür ich mich auch bei meinem Onkel bedanke.“