Neue alte Flaniermeile

Hemelingen, Opfer von verschwundener Industrie, bekommt wieder ein Zentrum. Die trostlose Hemelinger Bahnhofstraße soll eine attraktive Geschäftsmeile werden, wie sie es vor 50 Jahren schon einmal war, als man Hüte und Anzüge in den Schaufenstern begutachtete

Auf dem Marktplatz, wo jetzt Autos parken, sollen sich wieder Menschen treffen

Heruntergelassen Rolläden, bröckelnde Hausfassaden, leerstehende Geschäfte, ein Drogeriemarkt und ein paar Dönerbuden, auf der Straße lärmende Schwertransporte: Dieses Bild bietet die Hemelinger Bahnhofstraße zur Zeit. Nicht gerade eine Atmosphäre, in der man sich zuhause fühlen kann. Dabei war diese graue Straße einmal Flaniermeile und geschäftliches Zentrum des Stadtteils.

Die alten Hemelinger erzählen davon, dass sie in den 50er Jahren gerne durch die Straße flaniert sind, um in den Schaufenstern die neuste Hutmode, Anzüge oder Schuhe zu begutachten. Heute haben die zumeist älteren StadtteilbewohnerInnen in der Hemelinger Bahnhofstraße noch nicht einmal die Möglichkeit, Lebensmittel für den täglichen Bedarf zu kaufen.

Hemelingen ist ein Beispiel dafür, was das industrielle Wachstum mit einer Gegend machen kann – und welche Ödnis es zurücklässt, wenn der Boom darüber hinweggezogen ist. Der Stadtteil im Bremer Südosten war Mitte des 19. Jahrunderts ein expandierender Industriestandort. Ein Jahrhundert später zogen sich aufgrund des Strukturwandels und der schlechten Verkehrsanbindung immer mehr Betriebe aus Hemelingen zurück. Viele Industriegebäude stehen heute leer, Flächen liegen brach, nur die Menschen sind geblieben. Aber bis spätestens 2006 soll sich alles ändern, vieles besser werden: Das Zentrum des zweitgrößten Bremer Stadtteils soll saniert werden.

„Es muss etwas getan werden, allein kommt hier nichts mehr in Gang“, sagt Hedda Coombs Projektleiterin der Gewoba (Aktiengesellschaft Wohnen und Bauen), die die Sanierung des Hemelinger Zentrums plant. In einem Büro direkt an der Bahnhofstraße steht sie zweimal in der Woche den Anwohnern für Fragen zur Verfügung. Die Menschen sind nach Angaben der Projektleiterin sehr interessiert daran, dass in ihrem Stadtteil endlich etwas geschieht. „Viele sind traurig, wenn sie daran denken, wie es früher hier war und das mit der Verwahrlosung jetzt vergleichen“.

Eine Grundvoraussetzung, die Hemelinger Bahnhofstraße wieder zu beleben, sei mit dem Bau des Straßentunnels, der den Schwerlastverkehr aus dem Zentrum heraushalten soll, bereits in Angriff genommen worden. Anfang nächsten Jahres soll das Riesenbauprojekt fertig sein.

Ohne die störenden LKW soll dann das neue Zentrum Hemelingens entstehen, mit einer attraktiven Geschäftsstraße und einem lebendigen Marktplatz. Der Markplatz heute ist eigentlich ein Parkplatz mit sechs Bäumen, eingerahmt von Bahnhofstraße und einer Lagerhalle. Zweimal in der Woche müssen ein paar der Autos weichen, damit ein oder zwei Marktstände hier für ein paar Stunden Platz finden können. Danach kehrt die Tristesse zurück, der Markt gehört wieder ganz den Blechkarossen.

„Wir wollen den Marktplatz zur Straße hin öffnen. Offene Wege und Gassen: Alles soll durchlässig werden“, erklärt Hedda Coombs die Pläne der Gewoba. Für die dann renovierte Lagerhalle hat die Projektleiterin viele Ideen: Etwa einen Supermarkt, Fachgeschäfte, Kneipen, Cafés und einen großen Fitnessbereich stellt sie sich vor. „Ein Ort zum Einkaufen, aber auch Treffpunkt, der zum Verweilen einlädt“, das sind die Visionen der Hedda Coombs.

Bis es soweit ist, muss die Gewoba jedoch noch GrundstücksbesitzerInnen und ansässige Firmen von den Plänen überzeugen. Denn um Platz für den Platz zu schaffen, müssen einige Gebäude abgerissen, andere saniert werden. „Viele Grundstücke haben wir schon erworben, bei weiteren laufen die Verhandlungen noch“, beschreibt die Projektleiterin den Stand der Vorbereitungen. Dabei gehe die Gewoba aber niemals „auf Biegen und Brechen“ vor.

Hedda Coombs ist sich sicher, dass die Sanierungspläne bis 2006 Wirklichkeit werden können.Dann würde das Hemelinger Zentrum wieder ein Platz, an dem sich die Menschen gerne aufhalten. „Wir haben ja auch schon den Tunnel geschafft. Das hat auch keiner geglaubt“, sagt sie.

Katja Plümäkers