Die Mediennacht der Medienmacht

Die CSU lädt zum fröhlichen Medienstammtisch. Und kann weder verbergen, wo sie herkommt, noch, wo sie hin will

MÜNCHEN taz ■ Was ist nur aus der CSU geworden? Da liegt bei der dritten CSU-Mediennacht am Eingang des Münchner Nachtcafés tatsächlich das schwullesbische Stadtmagazin Our Munich aus – mit der Titelzeile „CSD statt CSU!“. Da steht der ehemalige Chefredakteur des Bayernkurier und FJS-Intimus Winfried Scharnagl allein am Eingang und wird von mehr Menschen geschnitten als gegrüßt. Da gibt es gänzlich unbayerisches wie Krabbensalat oder Räucherlachsrose zu essen und der Obatzte wird auf Schwarzbrotecken statt auf Brezen gereicht. Überhaupt: Wo waren die Brezen?

Jetzt sind Sie reingefallen! Und zwar auf eine alte Bier-und-Brezen-Inszenierung der CSU, welche die Partei heute allenfalls in Kommunalwahlkämpfen pflegt. Nur ist diese alte wesentlich sympathischer als die neue, welche man jetzt bei ebenjener CSU-Mediennacht erleben konnte. Die bundestagswahlkompatible CSU schmeißt Our Munich nicht aus ihren Veranstaltungsorten, sondern probt eine ebenso heuchlerische wie durchschaubare Inszenierung der Nicht-Inszenierung.

Die sieht so aus: „Es gibt ja solche Politiker – einer soll jetzt im Kanzleramt sitzen –, die ihr Verhalten allein an den Medien ausrichten“, fragt Markus Söder, Vorsitzender der Jungen Union in Bayern und Initiator der Mediennacht, in die Gesprächsrunde zum Thema Politik und Medien. Das war tatsächlich eine Frage, denn die Feststellung liefert Stoibers Wahlkampfberater Michael Spreng dann als Antwort noch mal hinterher: „Es ist egal, ob jemand ein netter Kerl ist, wenn im Land existenzielle Angst herrscht.“

So weit haben inzwischen – nach fast einem halben Jahr – ja wohl alle die Stoiber-Inszenierung begriffen: Der ehrliche, arbeitsame Überpreuße mit überprotestantischer Arbeitsethik gegen den allein schauspielerisch begabten Luftikus. So seicht, so gut. Nur folgt natürlich auch Stoiber bestimmten Anforderungen der Medien. Michael Spreng traute dem Publikum der CSU-Mediennacht wohl nicht allzu viel zu, denn er kommentierte Stoibers Auftritt im Berliner Nachtclub „90 Grad“ tatsächlich so: „Warum sollte Herr Stoiber nicht die Stadt kennen lernen, in der er arbeiten wird?“

Aber einer machte sich auf eine rührende Art Sorgen: Erwin Huber, Niederbayer und Leiter der Staatskanzlei, tadelte auf dem Podium: „Nicht, dass der falsche Eindruck entsteht, Edmund Stoiber würde seine Zeit in Berlin in Bars zubringen.“ Nein, keine Sorge, niemand glaubt, dass Edmund Stoiber in Berlin etwas anderes lieber täte, als Akten zu lesen. Nur sollten diese Inszenierungen – man denke an die Idee hinter der Dramaturgie bei der Vorstellung des Kompetenzteams – nicht heuchlerisch als etwas anderes ausgegeben werden. „Ein Politiker wäre dumm, wenn er nicht auf die Gesetze der Medien einginge“, sagte Erwin Huber dann auch irgendwann.

Ihm nimmt man sogar den bedauernden Ton bei der Feststellung ab, dass diese Gesetze auch ihre Nachteile haben: „Bayern kann ich vielleicht in 25 Sekunden erklären, Deutschland nicht.“ Vielleicht ist das Vertrauen da, weil Huber bei der Frage nach der Lieblingstalkshow angestrengt und etwas unsicher mit dem Zeigefinger über die Lippen fährt, hin und her blickt und dann, als alle auf dem Podium geantwortet haben, als Letzter sichtlich stolz über den Geistesblitz sagt: „Am liebsten natürlich die ,Münchner Runde‘ .“

Womit wir wieder in Bayern wären. Dorthin streben viele Sätze Hubers, zum Beispiel wenn er eigentlich über den Wert von Meinungsumfragen spricht und dann auf einmal sagt: „Wenn wir in den Bierzelten sind, spüren wir, was die Menschen wirklich bewegt.“ Huber erlebt das wohl tatsächlich: zuletzt am Freitag beim Volksfestauszug in Reisbach. Niemand behauptet, dass sei keine Inszenierung. Nur sind die in ihrer Schlichtheit sympathischer als ein vom Medienberater, der nicht Medienberater genannt werden will, zum Nicht-Inszenierten inszenierter Kanzlerkandidat.

Nach drei Stunden Mediennacht war vom schwullesbischen Stadtmagazin Our Munich aus der Eingangshalle noch immer kein Exemplar verschwunden – Winfried Scharnagl allerdings schon. Leider. KONRAD LISCHKA