Absturz aufgeklärt

Der Pilot der russischen Tupolew bekam von dem Schweizer Lotsen und bordeigenem Kollisions-Warnsystem widersprüchliche Anordnungen

BERLIN taz ■ Der Pilot der russischen Tupolew, die am vergangenen Dienstag über dem Bodensee mit einer DHL-Frachtmaschine kollidierte, kam der Aufforderung der Schweizer Flugsicherung zum Sinkflug nach, obwohl das bordeigene Warnsystem TCAS korrekt arbeitete und den Befehl zum Steigen gegeben hatte. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig gab dies in einer ersten Stellungnahme zur Auswertung der Stimmenrekorder der beiden Flugzeuge bekannt.  Demnach hatten die TCAS-Systeme beider Maschinen eine Minute vor der Kollision in Abstimmung miteinander die Frachtboing zum Sinkflug und die Tupolew zum Steigen aufgefordert. Kurz darauf erhielt die Crew der Tupolew jedoch die Anweisung der Schweizer Flugsicherung, ebenfalls zu sinken. Nach kurzem Zögern und erneuter Aufforderung durch den Fluglotsen kamen die Piloten der Anweisung des Lotsen schließlich nach. Normalerweise sind Piloten bei widersprüchlichen Anweisungen von Lotsen und TCAS angehalten, der Aufforderung des automatischen Warnsystems nachzukommen. Bei dieser Entscheidung, die innerhalb weniger Sekunden getroffen werden muss, laufen Piloten jedoch Gefahr, wegen Missachtung klarer Anweisungen durch die Flugsicherung rechtlich belangt zu werden.

Trotz der Fehlentscheidung des russischen Kapitäns liegt die Hauptschuld bei der Schweizer Flugsicherung Skyguide. Eine Anhäufung von technischen Mängeln hatte den überforderten Lotsen bei der Arbeit behindert. Ein dem TCAS ähnliches Kollisions-Warnsystem (STCA) war in der Unglücksnacht wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb, ebenso die Haupttelefonleitung, über die deutsche Fluglotsen in Karlsruhe noch versucht hatten, ihren Schweizer Kollegen vor dem drohenden Unfall zu warnen. Im Gegensatz zur Schweizer Flugsicherung können die Karlsruher Lotsen auf ihren Radarschirmen auch Teile des Nachbarsektors einsehen. Das mangelhafte und mit anderen Systemen nicht kompatible Radarsystem von Skyguide war schon vor der Kathastrophe in die Kritik geraten.

Am Freitag findet die offizielle Trauerfeier des Landes Baden-Württemberg für die 71 Opfer der Flugzeugkatastrophe in Überlingen statt. Die sterblichen Überreste von 33 bereits identifizierten russischen Opfern wurden gestern in die Stadt Ufa im Südural übergeführt. Alle 69 Insassen der Tupolew sollen zusammen auf einem Friedhof im Süden der Stadt begraben werden.

ALENA SCHRÖDER