Fernost im Einkaufszentrum

Hindugemeinde belebt fast verlassenes Sebaldsbrücker Einkaufszentrum mit großer Einweihungszeremonie. Der neue Gebetsraum bleibt ein Provisorium

Halb verlassen ist der große Betonblock an der Sebaldsbrücker Heerstraße, aufgerissen die Straße davor. Geschäfte gibt es schon seit Jahren kaum noch im Einkaufszentrum Sebaldsbrück, nicht einmal im Telefonbuch findet sich ein Eintrag.

Am selben Ort: Die Luft ist schwer und riecht nach Weihrauch, barfüßige Menschen mit wallenden Gewändern eilen umher, andere zaubern exotische Klänge aus ihren Instrumenten. Drei Statuen thronen auf einem Altar, gesalbt von Priestern, auf dem Boden sitzen Gläubige und verfolgen die Zeremonie.

Wer nun glaubt, die letzten Eindrücke stammten aus fernen Ländern, einem indischen Tempel vielleicht, der irrt. Denn ein Nebeneingang des verlassenen Einkaufszentrums ist das Tor zu dem hinduistischen Gebetsraum, den gestern sieben Priester eingeweiht haben. Bereits seit zwei Jahren nutzt die Gemeinde den Raum, aber erst jetzt zieren drei Götterstatuen den Altar. Bisher beteten die Hindus vor Bildern, mit den geweihten Statuen dürfen sie nun selbst Zeremonien veranstalten, weiß Vijeyananda, Dolmetscher und Hindu. Von den etwa 2.000 Gläubigen, die aus dem ganzen Nordwesten nach Sebaldsbrück zur Puja, zum Gottesdienst, kommen, waren gestern längst nicht alle da. Trotzdem drängeln sich die Besucher auf den prächtigen Teppichen.

Eigens für die Zeremonie wurde Murtu Jeyanthinathakurukkal aus Sri Lanka eingeflogen. Er ist ein Guru, und damit steht er ein bisschen über den anderen sechs Priestern. Eine Rangordnung wie bei den Christen gebe es zwar nicht, für die Zeremonie brauche man aber eine besondere Ausbildung, die die lokalen Priester nicht hätten.

Die Anforderungen werden verständlich, verfolgt man die farbenfrohe Zeremonie: Unter drei bunten Kuppeln ist ein gekachelter Altar aufgebaut. Darauf thront Murukan mit seinen zwei Frauen, flankiert vom Elefantengott Ganesha zur Linken und der Göttin Devi zur Rechten. Die Statuen bestehen aus fünf verschiedenen Metallen, die Priester weihen die Figuren mit Milch und Honig, Früchten und Rosenwasser. Mit Flöten und Trommeln begleiten Musiker die Weihe, andere läuten goldene Glocken, die von der Decke hängen.

Doch von der sakralen Strenge, die bei christlichen Gottesdiensten herrscht, ist hier nichts zu spüren. Laut und fröhlich geht es zu, Kinder spielen und toben. Es stört auch nicht, wenn der Altar während der Weihe mit dem Akkuschrauber noch ein bisschen verstärkt wird. Und es sind nicht nur Hindus, die hier teilnehmen. Den roten Punkt auf der Stirn bekommt jeder – egal, ob gläubig oder nicht.

Prasanth Luxmi ist es. Dem 11-Jährigen gefallen die Feiern, auch wenn die Kinder nicht ganz so engagiert sind wie die Erwachsenen. Sie toben lieber draußen herum – barfuß natürlich. Schließlich wollen auch die Kinder „nett sein zu Gott“.

Lange werden die Hindus ihren eben eingeweihten Raum allerdings nicht nutzen können. Bereits im nächsten Jahr werden neue Investoren das Gebäude nutzen. Wo jetzt Weihrauch und exotische Musik die Sinne benebeln, wird dann eine Supermarktkette Hundefutter und Toilettenpapier anbieten. Für die Hindus bedeutet das einen weiteren Umzug auf dem Weg zum idealen Gebetsraum. Einen Vorteil könnte der jedoch durchaus haben: In der Etage über dem jetzigen Raum sind Lagerräume, in denen Arbeiter mit schwerem Schuhwerk Kisten verladen. Und noch schlimmer als das Betreten mit Schuhen, so Vijeyananda, seien beschuhte Schritte über dem Gebetsraum.

slk