spd-strategie
: Wahlkampf mit E.ON

Das ist ein Fingerzeig an die Vorstände der hiesigen Aktiengesellschaften und den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): Mit der höchst umstrittenen Genehmigung der Übernahme von Ruhrgas durch den Energiekonzern E.ON will die SPD gute Stimmung in den Chefetagen verbreiten. Angesichts der nicht berauschenden wirtschaftspolitischen Leistung der Regierung sind viele Manager auf dem Weg zur CDU – von dem Bundeskanzler Gerhard Schröder sie gerne abbringen möchte. Denn ohne ihr Wohlwollen und ihren Einfluss glaubt er die Bundestagswahl am 22. September nicht gewinnen zu können.

Kommentarvon HANNES KOCH

Aus der Sicht der regierenden SPD ist es da nur folgerichtig, dass weder Kanzleramt noch Wirtschaftsministerium sich dem stärksten Energiekonzern Europas entgegenstellen. Zudem haben Schröder und Wirtschaftsminister Werner Müller auch signalisiert, dass sie die Expansionswünsche der deutschen Großkonzerne im Ausland mittragen. E.ON stellt die Finanzen, die Ruhrgas ins russische Gasgeschäft investieren wird.

Angesichts solcher Prioritäten konnten die Interessen der Verbraucher nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch wenn Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke den gegenteiligen Eindruck zu erwecken versucht – die Auflagen für die Genehmigung werden E.ONs Macht nicht entscheidend einschränken. Sie werden auch kaum dazu beitragen, dass die Verbraucherpreise für Gas sinken. Dafür ist die freie Gasmenge viel zu klein, die der Gigant an andere Firmen verkaufen muss, um ihnen konkurrierende Angebote zu ermöglichen. Auch dass Wettbewerber einen besseren Zugang zum Rohrnetz der neuen Ruhrgas erhalten, darf bezweifelt werden – selbst wenn innerhalb des Unternehmens die Bereiche Transport und Handel getrennt werden. Die gemeinsame Geschäftsleitung von E.ON wird schon dafür sorgen, dass die rechte Hand im Unternehmen weiß, was die linke tut.

Das Ja zur Fusion ist eine Entscheidung zur Bestandssicherung für alte Strukturen. Die Deutschland AG wird eben nicht aufgelöst, wie die Regierung suggeriert – sie wird lediglich neu sortiert. Auf der Strecke bleibt die Modernisierung. Damit erweisen sich die Sozialdemokraten einen Bärendienst: denn neue Energiefirmen, die nun weniger Chancen haben, schaffen auch neue, moderne Jobs. Davon gibt es seit Zeiten viel zu wenig. Konzentration wirtschaftlicher Macht haben wir dagegen schon heute genug.

wirtschaft & umwelt SEITE 9