Die Polizei kommt, der Spaß beginnt

Hunderte Neonazis werden heute durch Norddeutschland kreuzen – zu einem Konzert, das die Polizei verhindern will

BERLIN taz ■ Sechzig Schüler und drei Lehrer sollten sich in der Gemeindehalle des 1.200-Seelen-Dorfes Uftrungen (Sachsen-Anhalt) zu einem Klassentreffen zusammenfinden. Davon ging zumindest die Gemeindeverwaltung aus. Als dann am vergangenen Samstag 500 Naziskins aus ganz Deutschland, den Niederlanden und Österreich mit ihren Autos die Hauptstraße zuparkten und in der Festhalle das glatzköpfige Publikum der Neonaziband „Selektion“ zujubelte, war die Überraschung groß.

Bevor die Polizei ein Ende der Veranstaltung anmahnte, konnten sich die Rechtsrocker drei Stunden lang ungestört austoben. Und kündigten weitere Großkonzerte an. Zum Beispiel für den heutigen Samstag ein „Open Air“ auf der Insel Rügen. Neben acht deutschen Bands werden den „Kameraden“ auch englische Gruppen namens „Race War“ und „White Law“ und „die Möglichkeit zu zelten“ geboten. Polizei und Landrätin versuchen nun, die ungebetenen Gäste von den zahlungskräftigen Touristen fernzuhalten.

Rund einhundert Briefe hat Frank Piotrowski, der Leiter der Polizeiinspektion Bergen, an die Landwirte der Insel verschickt. Mit Erfolg: Die Wiese, die die rechten Konzertorganisatoren von einem Bauern für das Konzert angemietet hatten, steht nun nicht mehr zur Verfügung. Jetzt richtet sich Piotrowski auf eine Schnitzeljagd ein. Per SMS und Ketten-E-Mails werden die Konzertorganisatoren hunderte Teilnehmer durch den Norden dirigieren. „Das Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden ist ein Element der rechten Erlebniswelt“, sagt Piotrowski.

Längst stehen dem weitverzeigten rechten Musikbusiness auch Höfe und Grundstücke von Sympathisanten zur Verfügung. Dann greift auch der Konzerterlass nicht mehr, mit dem die Behörden in allen neuen Bundesländern gegen rechtsextreme Konzerte vorgehen können. „Wenn sie das überhaupt wollen“, zweifelt Phillip Stein vom Blaue Welt Archiv in Magdeburg. Die Entscheidung der Polizei, das Konzert in Uftrungen ungestört zu lassen, hatte aus seiner Sicht „fatale Folgen“. Zwei Brandanschläge auf alternative Jugendprojekte gab es in den vergangenen Wochen. „Das erfolgreiche Konzert hat das Selbstbewusstsein der Neonazisszene gestärkt,“ so Stein. „Jetzt rufen sie ganz unverhohlen zu weiteren Aktionen gegen linke Jugendliche auf.“ HEIKE KLEFFNER