Zentrum ohne Ort

Der Bundestag fordert ein Zentrum gegen Vertreibungen, lässt aber offen, wo, wann und wie es entstehen soll

MÜNCHEN taz ■ Der Bundestag hat die Errichtung eines europäischen Zentrums gegen Vertreibungen vorgeschlagen. SPD und Grüne beschlossen in der Nacht zum Freitag eine Resolution, die für eine Dokumentationsstätte der „Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts in ihren verschiedenen Ursachen, Kontexten und Folgen“ plädiert. Union, FDP und PDS enthielten sich der Stimme.

Der bei dem Antrag federführende SPD-Abgeordnete Markus Meckel warb dafür, auch die Vertreibungen in Bosnien-Herzegowina mit einzubeziehen. Der Parlamentsbeschluss richte sich an alle europäischen, insbesondere mitteleuropäischen Länder.

Das weitere Vorgehen lässt die Resolution offen. Insbesondere über einen möglichen Standort hatte es im Vorfeld der Entscheidung Kontroversen gegeben. In dem Beschluss heißt es nun: „Über Konzept und Ort einer solchen Einrichtung muss in europäischer Zusammenarbeit beraten und entschieden werden.“ Die Vorarbeit des Hauses der Geschichte in Bonn für eine Ausstellung über die Vertreibung der Deutschen solle in den europäischen Dialog mit einfließen.

CDU und CSU setzten in ihrem Gegenantrag allein auf die Stiftungsinitiative des Bundes der Vertriebenen für ein „Zentrum gegen Vertreibungen“. Sie legten sich auf Berlin als Standort fest, sprachen sich aber nun auch dafür aus, das Zentrum europäisch auszurichten.

In Tschechien und Polen steht man der deutschen Initiative zurückhaltend gegenüber. Der polnische Premier Leszek Miller hatte kurz vor der Bundestagsentscheidung erklärt, er könne sich ein Zentrum gegen Vertreibungen unter der Leitung des Europarates vorstellen. Während der deutsch-polnischen Konsultationen im vergangenen Monat hatte er noch durchblicken lassen, dass er den von Meckel und polnischen Publizisten vorgeschlagenen Standort Breslau (Wroclaw) ablehnt. OLIVER HINZ

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