Gemeinsame Sache machen

Selbständig statt stellvertretend handeln ist das Konzept der Bürgerorganisation „Kraftwerk Mitte“ in St. Georg. Jetzt wurde die Idee mit dem USable-Preis der Körber-Stiftung ausgezeichnet

von Helene Bubrowski

Wenn Journalisten fragen, wie er sich eigentlich verhalte, wenn er jetzt in St. Georg Gemüse einkauft, findet Frank Düchting das völlig deplatziert. „Die meisten verstehen gar nicht, worum es bei unserem Projekt eigentlich geht“, sagt der Gründer von „Kraftwerk Mitte“ . Schließlich sei er ein ganz normaler Mensch. Wenn auch ein ausgezeichneter: Für das Konzept, Bürger zu Akteuren zu machen, erhielt er vor zwei Wochen in Berlin den mit 10.000 Euro datierten USable-Preis der Körber-Stiftung.

Zum dritten Mal hat die Stiftung den Transatlantischen Ideenwettbewerb veranstaltet: es geht darum, Impulse aus Amerika für das deutsche System zu adaptieren. In diesem Jahr war die Ausschreibung thematisch festgelegt: Zum Bereich „Bürgerengagement“ wurden 169 Beiträge eingesandt, Düchting belegte den zweiten Platz. „Nein, stolz bin ich nicht darauf“, sagt er. Aber der Preis sei immerhin „eine Art Gütesiegel“, und natürlich freue er sich, dass „Kraftwerk“ jetzt 10.000 Euro mehr in der Kasse habe.

Community Organizing heißt auf amerikanisch das, was das Kraftwerk-Team in Hamburg etablieren will: selbständig statt stellvertretend handeln. Den Anstoß erhielt der CVJM-Geschäftsführer Düchting 1999 während einer Bildungsreise im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Als ehemaliger Sozialarbeiter noch dem Prinzip verhaftet, „etwas für andere zu tun“, sei er von der Pastorin einer verarmten lutherischen Gemeinde aufgeklärt worden: „Es geht darum, es mit den anderen zu tun.“ Menschen müssen selbst aktiv werden und sich für ihre Rechte einsetzen, erläutert Düchting diesen neuen Weg des politischen Engagements, das sei besser und nachhaltiger, als „Gutes für sie zu tun“, also stellvertretend zu handeln.

Die Macht der Beziehungen gegen die Macht des Geldes, lautet folgerichtig das Credo der Initiative „Kraftwerk Mitte“, die Düchting vor drei Jahren gründete. Wenn Menschen sich zusammenschließen, haben sie eine enorme Macht, sagte Hannah Arendt und liefert damit die philosophische Grundlage für das Konzept eines Netzwerkes, das ein möglichst großes Spektrum der Gesellschaft widerspiegelt: Eltern und Jugendliche sollten dabei sein, Sozialhilfeempfänger, Unternehmer, Katholiken, Muslime, Mieter, Hauseigentümer, Künstler und Konservative, eben alle.

Noch ist es nicht so weit. Die Arbeit des Kraftwerk-Teams besteht bisher darin, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen – in türkischen Cafés zum Beispiel, auf Kirchenvorstandssitzungen oder in Jugendtreffs . „Was bewegt Euch?“ ist die Frage, die Düchting den Anwohnern stellt. Um sie dann dafür zu begeistern, gemeinsame Sache zu machen. Bürgerengagement, sagt er, könne dauerhaft nur funktionieren, wenn die Interessen und Ziele aus der Bevölkerung kommen und nicht aufoktroyiert werden. Auch nicht von Kraftwerk: Das will lediglich Anregungen geben, aufeinander zuzugehen, sich an einen Tisch zu setzen. Denn auch wenn die Interessen noch so unterschiedlich sind, ist Düchting überzeugt, sei ein aktiver Meinungsaustausch produktiver als nichts zu tun.

Er versteht seine Arbeit als politische Bildung, es gehe darum, „pragmatische, ideologiefreie Demokratie von unten“ zu schaffen. Mit politischen Gruppen könne zwar zusammengearbeitet werden, Unabhängigkeit müsse jedoch in jedem Fall gewahrt werden, denn das sei der Grundsatz von Community Organizing. Nach amerikanischem Vorbild ist Kraftwerk auch ausschließlich privat finanziert. Staatliche Zuschüsse werden gar nicht angestrebt, denn „so sind wir viel unabhängiger“.

Frank Düchtings Arbeitsplatz ist in St. Georg – bis vor zwei Jahren mit Blick auf die Außenalster, doch dann wurde umgebaut, und die Büroräume des CVJM erhielten auch Fenster nach Osten. St. Georg ist ein sozialer Brennpunkt, doch das war nicht das Argument, das stadtteilbezogene Projekt dort zu beginnen. „Hier sind die Leute bereits daran gewöhnt, sich zu engagieren, aktiv zu werden“, sagt Düchting. Das habe den Einstieg erleichtert. Eine Ausweitung auf Hamm, Horn und Billstedt ist aber so schnell wie möglich geplant.

Interessierte können sich an Frank Düchting wenden unter ☎ 28 40 95 14 oder info@cvjm-hamburg.de