Immanente Spannungen

Sie untersucht Facetten in der Vergangenheit gestalteter Kulturlandschaft und bewertet restauratorischen Bemühungen neu: Die letzte auf KX gezeigte Ausstellung „Das bewegte Standbild“

von LISA MONK

Die letzte Ausstellung von KX nach der Kündigung durch Kampnagel trägt einen Titel, der auch auf die Situation der Künstlervereinigung selbst zutrifft: „Das bewegte Standbild“. Solange keine neuen Räumlichkeiten für den Ausstellungsbetrieb gefunden sind, wären die Aktivitäten von KX zum Stillstand verdammt. Aber das Künstlerkollektiv bleibt in Bewegung und plant für die Zwischenzeit Aktionen im öffentlichen Raum. Das hält den Namen im Gedächtnis, die Fans munter – und beweist die Notwendigkeit der weiteren Existenz. Die Kulturbehörde hat zudem bereits signalisiert, dass sie den Verein weiterhin projektbezogen fördern will. In dieser Woche treffen sich die Macher zu einem ersten Round-Table-Gespräch mit Kultursenatorin Dana Horáková.

In der letzten Schau verabschieden sich von KX einige der organisatorisch aktiven Künstler mit überzeugenden Fotoserien, Videoinstallationen und Filmen. Die meisten Motive untersuchen das Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur. Eigentlich geht es aber um die Frage, ob sich in Serie gehängte gleichartige Bilder in der Betrachtung addieren und zu laufenden Bildern verdichten oder ob sie vielmehr zu einem Standbild verschmelzen. Und ob andersherum die Bildsequenzen von Videos in einem einzelnen Bild verdampfen. Wie bei den fünf Videos von Lutz Homann, die mit in wenigen Einstellungen ein bewegtes Tableau zeigen: die Regale eines Supermarktes, einen Mann auf dem Fahrrad, die gleitenden Etagen eines Einwohnermeldeamtes aus dem Paternoster.

Der Titel „Das bewegte Standbild“ ist aus den Arbeiten von Sabine Höpfner geboren. Die Trickfilmerin drehte das Prinzip ihres Metiers um: Anstatt für wenige Sekunden Filmmaterial das Motiv x-mal zu verändern, filmte sie ein Foto und brachte es am PC durch Veränderungen des Lichtes in Bewegung. Da drehen auf kleinen Monitoren vor schwarzem Hintergrund Motten im Kreis, da wackeln geheimnisvoll personalisierte Buchenblätter im digitalen Wind.

Mit scharfem Blick für Absurditäten entdeckt Johannes Groht das Aufeinanderprallen von domestizierter Natur und urbanen Kennzeichen, die er auf einer großformatigen Farbfotoserie präsentiert: Eine Palme drückt sich wie ein eingesperrter Mensch an die Glasscheibe des Tropenhauses, das Plakat der „Einheimischen Singvögel“ ist hinter Gittern gesichert, als drohten die Vögel zu entfleuchen.

Orte, an denen städtisches Grün hergestellt oder museal präsentiert wird, zeigt Stefan Canham in einer schwarzweiß-Serie von Treibhäusern und Palmengärten. Er nähert sich von außen, erkundet Funktion und Gerätschaften und offenbart eine bizarre Welt. Ebenfalls dokumentierend und kommentierend gehen Alexander Rischer und Martin Schuppenhauer in ihrer 40-teiligen schwarzweiß-Fotoserie vor. In ihren „Aufzeichnungen von Feldsteinkirchen“ in Brandenburg halten sie einen Typus fest, der vom 12. bis 15. Jahrhundert sehr einheitlich gebaut wurde und ehemals das Zentrum jedes Dorfes markierte. Heute veröden viele Dörfer, weil Arbeitslosigkeit die Bewohner wegziehen lässt.

Spielerisch legt Wolfgang Schindler in Reihen kleine thematische Serien auf Polaroid. In liebevollen Bildgeschichten entstehen witzige fotografische Wirkungen, etwa über die „Braunäugigen Freundinnen“ oder „Alle Leuchten in meiner Wohnung“. Von solch erheiterndem, erhellendem, erschreckendem – kurz bewegendem – Umgang mit Realität braucht Hamburg mehr.

bis 11. Juli, Do bis So 15–19 Uhr. Finissage am 11. Juli um 19 Uhr mit „Cardiophon“