Kampf um Koka und korrupte Kandidaten

Bolivien wählt morgen ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten. Die US-Regierung mischt sich ein

PORTO ALEGRE taz ■ Pünktlich zum Abschluss des Wahlkampfs in Bolivien meldete sich US-Botschafter Manuel Rocha zu Wort. Das Andenland könne seine Textil- und Erdgasexporte in die USA abschreiben, wenn „Politiker mit Verbindungen zu Drogenhandel und Terrorismus“ an der neuen Regierung beteiligt würden, sagte Rocha in Anspielung auf Evo Morales, das Enfant terrible der bolivianischen Politik.

Eine bessere Wahlhilfe hätte sich der 42-jährige Sprecher der Kokabauern aus der Urwaldregion Chapare nicht wünschen können. Bei den morgigen Präsidenten- und Parlamentswahlen tritt Morales als Kandidat der „Bewegung für den Sozialismus“ (MAS) an. Seinen Aufstieg hat er seinem Widerstand gegen den US-geführten „Drogenkrieg“ im Chapare zu verdanken. Evo Morales, der bekennende „Antiimperialist“, möchte die US-Antidrogenbehörde DEA des Landes verweisen, die Verarbeitung von Koka zu Tee, Shampoo oder Medikamenten fördern und dafür Absatzmärkte erschließen. Unterstützt wird er in seinem „Kampf gegen das neoliberale Modell“ von sozialen Gruppen und Linkskräften im ganzen Land.

Allerdings liegt Morales nach Umfragen mit rund 13 Prozent noch auf Rang vier, hinter dem erstplatzierten Manfred Reyes von der „Neuen Republikanischen Kraft“ (NFR) sowie den Expräsidenten Gonzalo Sánchez de Losada und Jaime Paz Zamora. Nach dem bolivianischen Wahlgesetz muss eine breite Mehrheit im Parlament bis zum 6. August entscheiden, wer Präsident wird.

Alle drei Vertreter des Establishments sind korrupt, davon sind die meisten der gut vier Millionen wahlberechtigten BolivianerInnen überzeugt. Das größte Plus des 47-jährigen Rechtspopulisten Reyes, der wegen seines angeblichen Sexappeals den Spitznamen „Bonbon“ trägt: Er war noch nie Präsident, sondern nur Bürgermeister von Cochabamba und gilt seither als Macher, auch wenn er die Verschuldung der Stadt um 65 Millionen Dollar hochgetrieben hat. Bis 1986 war er Hauptmann der Armee, davor Absolvent der US-Kaderschmiede „Schule der Amerikas“ und Leibwächter des Kokaindiktators Luis García Meza. Heute pflegt er enge Beziehungen zur Mun-Sekte.

Gonzalo Sánchez de Losada von der „Nationalistisch-Revolutionären Bewegung“ (MNR) privatisierte von 1993 bis 1997 die Telefon-, Öl- und Eisenbahngesellschaften. Sozialpolitisch setzte der Multimillionär „Goni“ positive Akzente: Er ernannte einen Aymara-Indígena zum Vizepräsidenten und stärkte die Mitbestimmung in den Gemeinden. Heutzutage bevorzugt er eine betont nationalistische Rhetorik.

Sein Vorgänger war der Sozialdemokrat Jaime Paz Zamora von der längst gezähmten „Bewegung der revolutionären Linken“ (MIR). Er wurde 1989 sogar als Drittplatzierter Präsident – dank eines Bündnisses mit Exdiktator Hugo Banzer.

Zwischen Reyes, Sánchez de Losada und Paz Zamora wird in den kommenden Wochen voraussichtlich die notwendige Parlamentsmehrheit ausgehandelt. Die USA favorisieren einen Pakt zwischen Sánchez de Losada und Reyes. Doch der möchte sich alle Möglichkeiten offen halten, selbst eine Zusammenarbeit mit Evo Morales – daher die plumpe Warnung von US-Botschafter Rocha. GERHARD DILGER