Wo bleibt denn das Geld?

Zentralelternbeirat: Für das Ziel „bessere Bildung“ müssen Schwachstellen unvoreingenommen analysiert werden. Wichtiges Ziel: Die Förderung der Schwachen in heterogenen Lerngruppen

„Es ist fast peinlich, wenn man sein Kind in Bremen zur Schule schickt“

taz: Was sind für den Bremer Zentralelternbeirat (ZEB) die bittersten Erkenntnisse aus der Pisa-E-Studie?

Ralf Lüling, ZEB: Das horrende Leistungsgefälle innerhalb der Republik, vom europäischen Vergleich will ich gar nicht reden. Wir brauchen schnell bundesweite Leistungsstandards.

Länder mit und ohne Zentralabitur haben aber doch vergleichbare Erfolge aufzuweisen.

Der ZEB meint nicht bedingungslos das Zentralabitur. Das mag ein Baustein sein. Wir wollen Maßstäbe, auf die sich alle Akteure einigen – und nicht, dass großherzoglich verabschiedet wird, worein die anderen sich fügen sollen. Aber für eine solche Suche nach positiven Ansätzen müssen wir das Bremer „Klima des Misstrauens“ zwischen den Bildungsakteuren ändern.

Welche positiven Ansätze meinen Sie?

Verschiedene Schulstandorte in Deutschland erfüllen ja, meist leider auf Einzelinitiative hin, Bedingungen, die für die heutige Gesellschaft angemessen sind. Es ist doch klar, dass wir keine Lernfabriken brauchen, die nur Fakten vermitteln. Schule muss heute auch allgemein erzieherische Aufgaben übernehmen. Dafür braucht es bessere Kommunikation zwischen Lehrern und Eltern.

Müssen nicht auch Eltern jetzt selbstkritisch sein?

Wir sind durchaus dafür, Eltern mehr zur Verantwortung zu ziehen. Dazu müssen aber Rahmenbedingungen geschaffen werden. Eltern müssen in die Schulentwicklung einbezogen werden. Jetzt ist der Zeitpunkt, dass alle Akteure die Probleme offen benennen und dann – gerne auch über die Bundesrepublik hinaus – nach Verbesserungsvorschlägen fahnden. Es gibt in Europa doch längst sehr erfolgreiche Testverfahren. Aber in Deutschland grenzt es heute an Palastrevolution, wenn man sowas fordert.

Wie sind eingewanderte Eltern, deren Kinder schlechter abschneiden, beteiligt?

Da gibt es Probleme, vor denen die Schule die Augen nicht zudrücken darf. Einerseits stimmt es, dass Eltern mehr Veranwortung übernehmen müssen. Andererseits muss Schule mehr soziale Kompetenzen vermitteln. Wir brauchen mehr Frühförderung: einen verbindlichen Kindergarten, der einen Bildungsauftrag insbesondere bei der Sprachförderung hat. Aber auch einen verbindlichen Einschulungstermin, der nicht länger bei 6,9 Jahren liegen darf. Die wahre Kunst, die uns erfolgreichere Nachbarländer vormachen, ist doch die, mit heterogenen Lerngruppen umzugehen. Die Tendenz, so früh wie möglich homogene Lerngruppen einzurichten, ist nach den Pisa-Ergebnissen gescheitert.

Die CDU will jetzt die Rückkehr zum dreigliedrigen Schulsystem. Wie steht der ZEB dazu?

Die konservativen Schulsysteme im Süden der Republik scheinen diese Forderung auf den ersten Blick nahezulegen. Aber im Vergleich mit den europäischen Ländern gilt auch für Bayern und Baden-Württemberg, dass sie Nachholbedarf bei der Förderung der Schwächeren haben. Wir alle müssen besser werden.

Welches System soll denn kommen?

Ich könnte da einiges berichten – aber das wären nur meine Vorstellungen. Der ZEB fordert die unvoreingenommene Suche: Wo läuft was gut und warum und wie ist die Ausstattung? Dafür müssen alle Bildungspartner ihre Vorstellung zurückstellen und fragen: Wo kommen am Ende bessere Ergebnisse heraus. Und wenn das teurer ist, müssen die Ressourcen her.

Die CDU hat schon gesagt: Bremen hat das teuerste Schulsystem, am Geld könne es nicht liegen – deshalb sei auch nicht mit mehr zu rechnen.

Das muss genau untersucht werden. Es wäre interessant zu erfahren, wo das Geld bleibt.Wir wissen das nicht. Es könnte ja sein, dass die Behörde zu aufgebläht ist – auch wenn man einen Flächen- nicht mit einem Stadtstaat vergleichen kann. Das soll aber keine Entschuldigung sein. Die Bremer Ergebnisse sind auch im Städtevergleich desaströs. Es ist fast peinlich, wenn man zugeben muss, dass man sein Kind in Bremen zur Schule schickt.

Sie fordern das Ende des Misstrauens. Ist Bildungssenator Willi Lemke (SPD) in der großen Koalition die richtige Besetzung dafür?

Das kann ich nur persönlich beantworten: Ich bin nicht sicher. Aber man muss es versuchen. Die größte Sorge des ZEB ist natürlich, dass die Ergebnisse jetzt wahlkampftaktisch ausgeschlachtet werden und eine wirkliche Änderung kaum erwünscht ist. Fragen: Eva Rhode