Gegen den Absturz

Bremen wurde für „vorbildliche Strategien kommunaler Suchtprävention“ ausgezeichnet. Das Stadtteilprojekt im Viertel will Jugendliche stark machen gegen Pille, Joint und Bier

„Wir wollen das Leben für Jugendliche im Viertel lebenswerter machen“

Für Jugendliche ist im Viertel nicht viel Platz. Trotzdem leben dort 8000 unter 18. Irgendwo in den engen, zugeparkten Straßen, zwischen Kneipen, Geschäften und dem Sperrbezirk müssen sie sich ihren Raum suchen. Und genau hier trifft sich auch die Drogenszene.

„An einem Ort, der immer wieder mit den Drogen identifiziert wird, ist es für junge Leute schwierig zu sagen: Hier ist mein Platz, hier gehör ich hin“, sagt Heike Blanck vom Ortsamt Mitte. Dass die Jugendlichen im Viertel einen Platz bekommen und nicht in die Drogenszene abrutschen, dafür engagiert sich seit sieben Jahren das „Suchtpräventive Stadtteilprojekt Mitte/Östliche Vorstadt“. Für die Mühe gab es jetzt einen Preis von der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung – für „Vorbildliche Strategien kommunaler Suchtprävention“. 220 Kommunen hatten sich am Wettbewerb beteiligt, Bremen ist einer der 13 Gewinner. Preisgeld: immerhin 2.500 Euro.

„Endlich mal ein positives Signal für unseren Stadteil“, sagt Lina Adam von der Suchtprävention Bremen, die zusammen mit dem Ortsamt Mitte und dem ISAPP das Projekt trägt. Das Konzept ist einfach: Mit Theaterprojekten, Bodypainting, Tanz- und Sportveranstaltungen sowie Diskussionen wollen sie den Jugendlichen mit viel Spaß wichtige Kompetenzen vermitteln, damit sie nicht zu Joint, Pillen oder zu Bier greifen.

Die Idee dazu kam 1993 bei einer Präventionswoche im Viertel, die unter dem Motto „Lust am Leben“ stand. Schulen, Freizeiteinrichtungen und Vereine kamen zusammen und stießen auf die ewig gleichen Probleme: „Wir alle wollen Jugendlichen eine glückliche Zeit im Stadtteil ermöglichen – dabei haben alle schon so Manchen abstürzen sehen“, sagt Robert Bücking, der Leiter des Ortsamtes Mitte.

Also wurde beschlossen, in einem vernetzten Stadtteilprojekt etwas für die Jugendlichen und gegen Drogen zu unternehmen. Heute beteiligen sich über 40 Kooperationspartner an dem Projekt. Alle sechs Wochen trifft man sich, um über Ideen und Aktionen zu beraten.

„Wir wollen geballtes Know-How direkt in die Arbeit mit den Jugendlichen stecken“, beschreibt Liane Adam den Sinn des breit angelegten Projektes. Wichtig sei es vor allem, kontinuierlich zu arbeiten und nicht nur auf den kurzfristigen Erfolg aus zu sein.

Ein Beispiel für die Nachhaltigkeit des Stadtteilprojektes: Die Mitarbeiter erfuhren in Gesprächen, dass die Jugendlichen im Viertel keinen Platz hätten, den sie selbst gestalten könnten. Alles sei voll geparkt oder bebaut. Bei der Aktion „Räume schaffen, Räume öffnen“ entwarfen Jugendliche an den Projekttagen einer Schule ihren Traumplatz. Nach einigem Ringen stellte das Sportamt den Jugendlichen eine wenig genutzte Fläche zur freien Verfügung, den sogenannten „Sportgarten“. Noch heute sammeln jährlich mehr als 1000 Jugendliche am „Pauliner Marsch“ Geld, das sie dem „Sportgarten“ spenden. „Durch Aktionen wie diese wollen Jugendliche Wege zeigen, wie sie die Gestaltung ihrer Umwelt selbst beeinflussen können“, erklärt Liane Adam.

Ein großes Problem sehen die Verantwortlichen darin, dass viele gute Ideen am fehlenden Geld scheitern. Bei einer „Mädchen-Sport-Nacht“ kamen beispielsweise über 300 Mädchen zusammen, um gemeinsam zu Skaten, Softball zu spielen oder Karate zu lernen. „Um 2 Uhr waren immer noch alle dabei, später wollten wir das gerne regelmäßig wiederholen“, erzählt Heike Blanck. Das Projekt konnte das nicht aus eigenen Mitteln leisten. Deshalb habe man die Idee dem Landessportbund vorgeschlagen, doch der sah sich dazu nicht in der Lage, zuzuschießen. „Auch viele der freien Träger sind durch die Haushaltskürzungen sehr gefährdet“, sagt Heicke Blanck. So werde der suchtpräventiven Arbeit eine wichtige Grundlage entzogen.

Katja Plümäkers