Engel im Glück

Der Kriegsverbrecherprozess gegen Friedrich Engel geht vermutlich nächste Woche mit Freispruch zu Ende

Der wohl letzte NS-Kriegesverbrecherprozess vor dem Hamburger Landgericht steht vor dem Ende. Die Beweisaufnahme wird am kommenden Dienstag geschlossen, wenn es nicht Nebenklageanwältin Olivia Bellotti gelingt, wichtige Dokumente über Art und Weise der Erschießung von 59 Partisanen am 19. Mai 1944 am Turchino Pass von den Behörden aus Genua noch zu besorgen. Schon gestern deutete der Vorsitzende Richter Rolf Seedorf an, wie das Urteil gegen den Hamburger Friedrich Engel und Ex-Chef des Sicherheitskommandos (SD) Genua – „Schlächter von Genua“ genannt – aussehen könnte: Freispruch.

Für Seedorf ist die noch einzige in der Beweisaufnahme ausstehende Frage, ob die Partisanen vom Erschießungskommando von vorne oder hinten erschossen worden sind, ohnehin nicht mehr von Bedeutung. In einem Vorab-Resümee deutete er schon an, dass es für den ehemaligen SS-Obersturmbannführer Engel, der sich vor der deutschen Justiz wegen des Verdachts des 59-fachen Mordes verantworten muss, gar nicht so schlecht aussieht.

Denn Seedorf unterstellt zugunsten des Angeklagten, dass es nach einem Partisanen-Angriff im März 1944 in Rom tatsächlich eine Art Führerbefehl für Vergeltungsmaßnahmen gegeben habe. „Wenn es auch keinen konkreten Führerbefehl gab, gab es zumindest einen deutlichen Führerwillen“, sagte Seedorf, „an den sich die SS gebunden fühlte“. Danach sollte jedes Partisanenattentat mit toten deutschen Soldaten bei Sühneaktionen mit einer „Repressalienquote von 1:10 vergolten“ werden.

Die Methode ist laut Seedorf damals „völkerechtliches Gewohnheitsrecht“ gewesen, weil sie durch keine Konvention ausdrücklich gerügt worden sei. Da die „Repressalientötungen“ damit zumindest „gewohnheitsrechtlich zulässig“ waren und auch von anderen Nationen im Krieg angewandt wurden, habe für die Erschießungen – selbst wenn sie von Engel angeordnet wurden – womöglich ein „Rechtfertigungsgrund“ vorgelegen.

Peter Müller/Andreas Speit