Herausragend öde

„Capital“ und McKinsey trotzen Pisa. Sie suchen die junge Elite – und finden sie. Interessante Fragen fehlen

BERLIN taz ■ Es gibt sie doch noch, die guten Nachrichten, mitten im kollektiven Pisa-Jammer. „Die Bildungsmisere an deutschen Schulen und Universitäten hat den größten Teil der deutschen Nachwuchsmanager nicht bei ihrer Karriere behindert.“ Ach, da sind wir aber froh.

Gemeinsam hatten die Beratungsfirma McKinsey und die Wirtschaftszeitschrift Capital das Allensbacher Institut für Demoskopie (IfD) beauftragt, nach dem Pisa-Schock doch mal ganz genau nachzufragen, wie die armen Jungmanager sich trotz schlechter Schulen denn nach oben durchgekämpft haben. Und siehe da, es trat Erstaunliches zutage: Die junge Elite, frei definiert nach Jahresgehalt, Berufsposition und Verantwortlichkeiten, ist nicht nur männlich, studiert und zur Hälfte ohne Kinder. Nein, sie ist einfach „kreativer, neugieriger und von einem ungeheuren Optimismus“, wie Thomas Petersen vom IfD ganz stolz erklärt. Sie habe eine Abneigung gegen Bürokratie, schätze den Wert der Freiheit sehr und wähle – wie anders? – gerne die FDP.

Zum Staunen ist das alles nicht. Ein bisschen schneller, zielstrebiger, zäher sollen die jungen Wirtschaftslenker schon sein, das hat die Studie gezeigt. Ja hoffentlich! Was sonst bedeutet denn der Begriff Elite? Dass man gerne Leistung bringt, oder?

Einzig: Mit Pisa hat das alles nichts zu tun. Denn der smarte Führungsnachwuchs wird auch trotz der deutschen Bildungsmisere weiter Karriere machen, auch wenn „die Bedingungen in anderen Ländern sicher besser sind“, wie Ulf Redanz von McKinsey sagt. Denn es sind nun mal nicht die selbstständigen, neugierigen Schüler, die „auch mal sitzen bleiben oder Schule schwänzen“, die es nicht schaffen. Und nicht die Gymnasiasten, von wohlmeinenden Akademiker-Eltern helfend zum Hochschulabschluss dirigiert. Wer Pisa liest, der weiß das.

War da denn jemand überhaupt nicht neugierig? Überhaupt nicht einfallsreich? Kam nicht einer auf die Idee, die junge Elite danach zu befragen, wer aus einem sozial schwachen, bildungsfernen Milieu kommt, wessen Muttersprache nicht die deutsche ist, wer den zweiten Bildungsweg genutzt hat – ach, so was würden Sie gerne wissen, das fänden Sie interessant? Naja, beim nächsten Mal vielleicht, dann haben wir auch ein bisschen länger darüber nachgedacht. SUSANNE AMANN