Ein Zeichen für den Gipfel

Immigranten haben Uni-Sporthallen in Sevilla besetzt und einen Hungerstreik begonnen

SEVILLA taz ■ Der Weg ins Glück endete in zwei Sporthallen. 500 Immigranten haben sich vor zehn Tagen in den beiden Betongebäuden in der Universität Pablo Olavide in Sevilla eingeschlossen. „Für eine Aufenthaltsgenehmigung!“ und „Beendet das Leiden!“ steht auf zwei riesigen Transparenten draußen. Darunter türmen sich Sporttaschen mit den Habseligkeiten der „sin papeles“.

„Wir werden so lange hier bleiben, bis wir eine Aufenthaltsgehmigung erhalten“, beteuert einer der Besetzer in gepflegtem Französisch. Der 30-Jährige, der im Schneidersitz auf einer Schaumstoffmatte sitzt, gibt nur seinen Vornamen preis: „Araba.“ Er kommt wie die meisten hier aus Algerien. Seit einem Jahr ist der junge Mann in Spanien. Er reiste mit einem Touristenvisum ein. „Keine Arbeit, keine Wohnung, keine Heirat“, fasst Araba zusammen, was ihn bewegte, seine Heimat zu verlassen.

„Die ersten Monate lief alles ganz gut“, berichtet Araba. Er fand ständig Arbeit als Erntehelfer in der Provinz Huelva in Andalusien. Dann kam die neue Ausländerpolitik. Die konservative Regierung von José María Aznar begann drohte den Landwirten mit Geldstrafen, falls sie illegale Einwanderer unter Vertrag nähmen. Jetzt pflücken direkt in ihren Herkunftsländern angeheuerte Osteuropäer die Erdbeeren und Tomaten in der Region um die Stadt Huelva. 5.000 Nordafrikaner vagabundieren seit Monaten auf der Suche nach Jobs von Plantage zu Plantage. „Damit muss Schluss sein. Wir wollen Papiere, denn ohne die gibt es keine Arbeit“, fordert Araba.

„Eine Monat lang, haben wir die Besetzung vorbereitet“, erzählt Saada. Der 45-jährige Familienvater gehört zu denen, die einzeln die Leute ansprachen, ob sie bereit seien, eine Protestaktion im Vorfeld des EU-Gipfels in Sevilla mitzumachen. Dass ein Thema auf der Tagung der Staats- und Regierungschefs eine noch bessere Abschottung der Außengrenzen der Union ist, kam da wie gelegen. Saada stammt aus einem Dorf nahe der westalgerischen Stadt Oran. Dort arbeitete der hochgewachsene Mann als Traktorfahrer. Doch die Bezahlung von 100 Euro monatlich reichte nicht zum Leben. „Mit meiner Qualifizierung hoffte ich auf Arbeit in der spanischen Landwirtschaft“, erzählt er.

Deshalb nutze Saada ein Schengenvisum, das ihm für einen Besuch bei seinem Bruder in Frankreich ausgestellt worden war, um sich in Südspanien niederzulassen. Aber: „In einem Jahr hab ich vielleicht sechs Wochen gearbeitet“, berichtet er. Aus dem Plan Geld an Frau und fünf Kinder zu Hause zu überweisen wurde nichts. 28 Euro verdient ein Erntehelfer am Tag. „Wir lebten alle in selbst gebauten Hütten aus Holz und Plastikplanen, wie die Tiere“, schüttelt Saada den Kopf.

Zu verlieren hat hier keiner etwas. Doch zu gewinnen auch nicht. „Wer in einem fremden Land keine Arbeit findet, muss nach Hause zurück“, erklärte der konservative Innenminister Mariano Rajoy zum Auftakt der Besetzung. Und der Chef der andalusischen Regionalregierung, der Sozialist Manuel Chaves, will das Ausländergesetz angewandt sehen. Das hieße Abschiebung. Über 20.000 Ausländer ereilte allein in den ersten fünf Monaten des Jahres dieses Schicksal.

„Dazu müssen sie uns einzeln hier rausschleppen“, meint Saada. Die Eingeschlossenen wollen während des EU-Gipfels nichts essen. Wenn der zweitägige Hungerstreik nichts hilft, wollen die Immigranten unbegrenzt die Nahrungsaufnahme verweigern. Ähnliche Aktionen halfen vor zwei Jahren eine Regelung zu erzwingen. Die meisten Besetzer glauben, dass sich trotz der harten Worte aus Madrid dieser Erfolg wiederholen lässt. Unter ihnen ist auch Araba: „Das ist doch ein demokratisches Land, das die Menschenrechte respektiert, oder?“, fragt er. REINER WANDLER