Weg mit den Peanuts!

Für ein paar Euro weniger riskiert Oldenburg verbrannte Erde im Selbsthilfebereich. Kürzungen würden nur gut ein Promill des Defizits decken. Jetzt soll die Justiz Sozialhilfeempfänger zur Arbeit zwingen

Selbsthilfe soll bluten, während Wirtschafts-subventionen steigen

„Wir wissen, dass viele Menschen in der Stadt von sozialen Notlagen betroffen sind und es werden immer mehr.“ Die Arbeitsgemeinschaft freier Wohlfahrtspfleger in Oldenburg schlägt Alarm. Die Kürzungen der Stadt im Sozialbereich würden „die bestehende soziale Schieflage in der Stadt verschärfen“, warnen die Verbände in einem Fünf-Punkte-Papier. Betroffen sind von den Kürzungen nicht die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen großen Wohlfahrtsverbände, sondern die freien Träger der Stadt. Die Zuschüsse werden ihnen zum Teil ganz gestrichen.

Die Streichliste ist lang: Der freie Eintritt von Sozialhilfeempfängern in städtischen Freibädern, das Frauentaxi, Bildungsgutscheine – so etwas nennt Oberbürgermeister Dietmar Schütz (SPD) neuerdings „Doppelkomfort“. Das Frauen-Beratungs- und Fortbildungszentrum Donna 45, die Arbeitslosenselbsthilfeinitiative ALSO, Pro Familia, die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch Wildwasser, das Frauentherapiezentrum, das Frauenhaus, die Koordinationsstelle für Selbsthilfegruppen BEKOS und die Konfliktschlichtung: Sie alle sollen Federn lassen, damit die Stadt der Auflage der Bezirksregierung nachkommen kann, ein Haushaltsloch in Höhe von 78,8 Millionen Euro zu decken.

Zu Ende 2002 sind alle bestehenden Verträge gekündigt. Über Förderung auf freiwilliger Basis gibt es keine verlässlichen Bescheide. Hauptbetroffene der Kürzungen sind durch die Bank Frauen und Kinder. Der Spareffekt insgesamt: 98.000 Euro, das sind 0,13 Prozent des einzusparenden Gesamtbetrages. „Wir sind stolz darauf!“, verkündet Michael Bättig von der ALSO nicht ohne Ironie, denn die Betroffenen finden das Vorgehen der Stadt einfach nur zynisch: „Der Betriebskostenzuschuss für die Oldenburger Tourismus und Marketing GmbH von 340.000 Euro oder die Verlust- und Zinszuschüsse an die Weser-Ems-Halle von knapp 3,6 Millionen Euro werden nicht gekürzt“ empört sich Bettig. Im Gegenteil habe die Stadt sogar einen neuen Posten in den Haushalt 2002 aufgenommen: Die Personalkosten des Geschäftsführers vom „Technologie- und Gründerzentrum“, also schlappe 60.000 Euro jährlich.

Sozialdezernentin Martina Niggemann (SPD) will es Donna und ALSO selbst überlassen, wie sie kürzen: Entweder, beide Projekte gehen zusammen und sparen einen Mietzuschuss sowie zwei ihrer zusammen vier halben Stellen, oder die Stadt kürzt beide Träger auf Null herunter. Das allerdings wäre besonders kurzsichtig, denn ohne städtische Zuschüsse fällt das Geld aus dem Europäischen Sozialfonds auch weg.

„Da geht es nicht ums Sparen, da sollen Menschen abgeschoben und mundtot gemacht werden“, schimpft Beate Pyde vonder ALSO. Dabei könnten vor allem SozialhilfeempfängerInnen künftig die Unterstützung von ALSO und Donna 45 noch dringender brauchen: Der städtische Beschäftigungsträger Stellwerk nämlich sollte bislang SozialhilfeempfängerInnen in den ersten Arbeitsmarkt bringen. Oberbürgermeister Schütz aber hat Stellwerk erst kürzlich dazu umgewidmet, Arbeitskolonnen zusammenzustellen, die für eine Aufwandsentschädigung von 1,10 Euro pro Kopf und Stunde städtische Arbeiten verrichten. Die drohen nämlich aufgrund von Personalkürzungen teilweise liegen zu bleiben. Wer nicht mitmachen will, dem werde die Sozialhilfe gekürzt, heißt es in einem Protokoll der Stellwerk-Aufsichtsratssitzung vom 29. April.

Wer dann immer noch nicht spurt und vor Gericht geht, soll künftig schlechte Karten haben, denn: „Das Thema der liberalen Haltung des hiesigen Verwaltungsgerichts wird kurz diskutiert und vorgeschlagen, zukünftig für uns negative Urteile von einer nächsten Instanz überprüfen zu lassen“, heißt es in dem Dokument. „Gleichzeitig soll das aufklärende Gespräch mit den Verwaltungsrichtern gesucht werden.“ Zu diesem versuchten Eingriff in die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit will die PDS-Fraktion in der heutigen Ratssitzung unangenehme Fragen stellen.

Marijke Gerwin

Öffentliche Ratssitzung heute um 17.00 Uhr im PFL, Peterstraße 3. Aktionstreffen heute um 16.00 Uhr in der ALSO, Kaiserstraße 19, dann immer Montags; www@also-zentrum.de