Die Hochzeit des Jahres

Die Woche der schönen Wahrheiten (2) Heute: Tulpen und goldene Tellerchen

Von ihm werde man kein Sterbenswörtchen erfahren, sagte der alte John Leslie vorige Woche. Auf die Frage eines Reporters, wann Paul McCartney denn heiraten würde, antwortete er aber wie aus der Pistole geschossen: „Am Dienstag.“ Erschreckt fügte er hinzu: „Das ist ein Geheimnis, bitte verratet es nicht.“

Doch. Der Ex-Beatle Paul McCartney, 59, heiratet heute das Ex-Model Heather Mills, 34, auf Castle Leslie in der irischen Grafschaft Monaghan kurz vor der nordirischen Grenze. Das Schloss ist lediglich ein großes Haus. „Für die Iren sind große Häuser eben Schlösser“, sagt John Leslie. Der 84-Jährige gehört einer alten anglo-irischen Adelsfamilie an, sein Vorfahr, der gleichnamige protestantische Bischof John Leslie, kam 1665 aus Schottland nach Monaghan. Auch er heiratete auf Castle Leslie, er war damals 69 und zeugte später fünf Kinder. Das damalige Schloss wurde allerdings 1878 abgerissen und neu erbaut.

Die Leslies sind keineswegs reich, und so haben sie ihr Haus für Besichtigungen einschließlich sechsgängiger Abendessen geöffnet. Für die kommenden zehn Tage ist es jedoch geschlossen, denn McCartney und Mills wollen auch die Flitterwochen und McCartneys 60. Geburtstag hier verbringen. Die Hochzeit, deren Vorbereitung bereits seit einem Jahr läuft, kostet 1,5 Millionen Euro.

McCartney traut den Iren offenbar nicht, denn er lässt alles, was er für die Feier benötigt, aus dem Ausland einfliegen: Die mobile Küche, die Kühlschränke, die Generatoren, drei große Zelte, das vegetarische indische Buffet und die goldenen Tellerchen kommen aus England, Tulpen und Lilien werden aus den Niederlanden eingeflogen, die vierstöckige Torte im Wert von 1.600 Euro wird von Choccywoccydoodah in Brighton geliefert. McCartney hat sogar seinen Oldtimer-Mercedes und ein Boot nach Monaghan schaffen lassen. Das junge Paar wird heute über den See, der zu Castle Leslie gehört, herangleiten.

300 enge Freunde sind eingeladen. Auch ihnen misstraut McCartney. Sie müssen wie auf einem Flughafen durch Metalldetektoren laufen. Außerdem hat man ihnen vorsichtshalber verschwiegen, wo das Ganze stattfinden wird. Auf den Einladungskarten steht nur, man solle sich um 8.30 Uhr auf dem Flughafen Heathrow einfinden. Von dort geht es im Privatflieger nach Belfast, dann mit Hubschraubern weiter nach Monaghan.

Zu den Gästen gehören Eric Clapton, Ringo Starr, Sting, Lulu, Twiggy, Pink Floyds Dave Gilmour und Mick Jagger, der am Wochenende zum Sir ernannt werden soll.

Es werden auch einige ungebetene Gäste erwartet, denn auf Castle Leslie leben 18 Gespenster. Das ist irischer Rekord. Eins von ihnen ist John Leslies Onkel Norman, der letzte britische Offizier, der ein Duell ausgefochten hat. Er überlebte, doch im Oktober 1914 starb er im Alter von 27 Jahren auf dem Schlachtfeld bei Armentières. Einen Tag nach seinem Tod tauchte er im Schlossgarten auf, zahlreiche Bedienstete bezeugten das. Seitdem lässt er sich hin und wieder in seinem Zimmer sehen, dem „Red Room“, in dem das Brautpaar seine Hochzeitsnacht verbringen wird.

Ein anderer Verwandter von John Leslie war Winston Churchill, der in der Nähe des Schlosses zur Schule ging. Sein weißes Babykleid liegt auf der Anrichte im Wohnzimmer. Daneben steht ein mit blauem Samt ausgeschlagener schwarzer Kasten, in dem John Leslie ein vergammeltes Zaumzeug aufbewahrt. Das gehörte dem Herzog von Wellington, dem Patenkind eines Vorfahren von John Leslie. Es sei allerdings nicht das Zaumzeug, das Wellington bei Waterloo benutzt habe, fügt Leslie bescheiden hinzu.

Wellington soll vor der Schlacht die kleine protestantische Kirche aus dem 17. Jahrhundert besucht haben, die hinter dem Schloss steht. Dort wird die Ehe heute gesegnet. Pfarrer Gary Roberts ist über Nacht sehr populär geworden, hunderte von Menschen wollten einen Sitzplatz in seiner Kirche buchen. „Neben den Hochzeitsgästen dürfen heute nur regelmäßige Kirchgänger zum Gottesdienst kommen“, sagt er. Das sind höchstens 25 Menschen. Sie können sich übrigens ein hübsches Taschengeld verdienen, wenn sie den Paparazzi alles brühwarm berichten. RALF SOTSCHECK