Komplett haltbar

Das nächste Bild ist immer das schwerste: Bratwurst und Kanzlerwetter. Zur Eröffnung der Ausstellung „unhaltbar“ zeigte sich die Künstlerkolonie Worpswede fußballbegeistert

Schau – ließ eine junge Mutter ihren vielleicht fünfjährigen Sohnemann wissen, den sie zwecks besserer Sicht malerisch in einem Apfelbaum platziert hatte: „Schau, nun spricht der Kanzler.“ Doch der sagte zunächst, dass er nicht viel sagen werde; eine Information ungefähr so nützlich, wie einem schirmlos im Regen Stehenden mitzuteilen, es sei nicht so prima Wetter.

Viele waren nach Worpswede gekommen, um den Kanzler zu sehen. Wenn doch nur das Wetter mitspielen würde. Die Personenschützer hatten sich taktisch eher auf Raum- denn auf Manndeckung verlegt. Probates Mittel inmitten der fröhlichen Menschen im Garten vor der Galerie Ruländer, in der es mit prominenter Unterstützung die Ausstellung „Unhaltbar“ zu eröffnen galt. Einblicke in die Kreativabteilung deutscher Fußballkunst.

Der Kanzler verschwindet. Wir dürfen erst später gucken. Beim Fußball mitzufiebern, hatte Herr Schröder vor Monatsfrist verkündet, zumal wenn die deutsche Mannschaft irgendwo spielt, zeige möglicherweise einen positivenBezug auf die Nation. Aber mit Politik hat das hier, also: Kunst und Sport, natürlich nicht das Geringste zu tun.

Drinnen dann fragt ein Kollege vom Hörfunk einen Besucher, wie er denn dies Bild findet. In gerhardrichterartigem Halbdämmer ist ein Hase zu sehen, der in einem Fußballtor sitzt. Das erinnere an die Kaninchen, die oft über den Sportplatz gelaufen sind, früher. Na denn. Zu sehen sein soll eine „widerspenstige Sehweise einer Spielform, die wir zu kennen glauben und doch nicht kennen“. Kunstkritik, so spannend sie oft auch sein mag, meint, etwa im legendären Satz Sepp Herbergers, der Ball sei rund, mehr zu erkennen, als dass der Ball eben rund sei. Trotzdem fällt es nicht so leicht,etwa in Markus Lüpertz’ formatfüllendem Ball-Bild in derlei interpretatorische Tiefen hinabzusteigen.

Und wie steht eine Serie von Arbeiten des ehemaligen Profis und taz-Kolumnisten Yves Eigenrauch zu verschiedenen Post-Warhol-Schulen? Eigenrauch, mittlerweile einer Art Hausmeisterposten in der neuen Schalke-Arena habhaft geworden, hat in einer Serie schlechter Kopien von Spielsituationen, die unter anderem Eigenrauch zeigen, jeweils Eigenrauch ausgemalt. Mit Filzstift. Größter Beliebtheit erfreut sich ein überdimensionaler Kickertisch mit schweren geschnitzten Spielfiguren. Kunst zum Anfassen und für die ganze Familie.

Und die zieht, voller Volksfestfreude, zum lokalen Fußballplatz, wo Herr Schröder ein Benefizspiel zwischen dem Künstlerteam Lok Lüpertz und einer Prominenten-Auswahl anpfeifen wird. Der Kanzler lüpft den Ball, drischt ihn in die eine Spielhälfte. Applaus. Bratwurst. Die routinierten Künstler tragen mit schätzungsweise 1:0 einen weiteren Sieg davon. Insgesamt auch in dieser Höhe verdient. Auch wenn, hätte man den unermüdlich an der rechten Außenbahn schuftenden CDU-Wirtschaftssenator Josef Hattig öfter angespielt, mehr drin gewesen wäre.

Ein Nachmittag zwischen bemühtem Event und Volksfest geht zu Ende, meine Damen und Herren. Jede Anekdotenhaftigkeit wäre wohlfeil und hier fehl am Platze. „Unhaltbar“ blieb hinter den Erwartungen zurück. Allzu sehr hat man sich auf’s WM-Trittbrett verlassen. Neue Zugänge, Finger in die Wunden des ambivalenten Sportgeschehens: Fehlanzeige.

Alles in allem eine mäßige Partie, die ein um’s andere Mal Höhepunkte schmerzlich vermissen ließ. Ein Fazit, wenn man das schon mal wagen darf, meine Damen und Herren: Am Ende dieses mittelmäßigen Spiels stehen nur ein paar haltbare Schüsschen zu verbuchen.

Warum also nicht einfach mal antizyklisch arbeiten? Einziger Trost bleibt einstweilen, dass unser Ausscheiden schon in der Vorrunde rein rechnerisch noch im Bereich des Möglichen ist. Und die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Tim Schomacker

„Unhaltbar“ ist in der Galerie Ruländer zu sehen. www.galerie-rulaender.de