Polen gefährdet EU-Beitritt

Regierung droht, die Unabhängigkeit der Nationalbank einzuschränken. Diese soll die Zinsen stärker senken, um die Konjunktur anzukurbeln. Eurobank warnt davor

Es dauerte keine fünf Tage, da zeigte die Europäische Union die rote Karte

WARSCHAU taz ■ Die Mitte-links-Regierung Polens gibt der Polnischen Nationalbank (NBP) die Schuld an der wirtschaftlichen Talfahrt des Landes. Die Zinssätze seien zu hoch und der Zloty zu stark, lauten die Vorwürfe. Zwar senkte die Notenbank letzte Woche die Leitzinsen um weitere 0,5 Prozentpunkte, sodass der Lombardsatz für kurzfristige Übernachtkredite nun 12 Prozent beträgt, der längerfristige Diskontsatz 10,5 Prozent. Doch Ministerpräsident Leszek Miller hatte sich einen größeren Zinsschnitt erhofft. Die Erfahrungen der Leitzinssenkungen seit Februar 2001 zeigen nämlich, dass die Banken die um nur 0,5 Prozent günstigeren Zinssätze nur zögerlich an ihre Kunden weitergeben.

Die Lösung für die wirtschaftliche Malaise sehen Finanzminister Marek Belka und Schatzminister Wiesław Kaczmarek ohnehin vor allem darin, die Notenpresse anzuwerfen, um mit dem dann „billigeren Geld“ die Konjunktur wieder in Fahrt zu bringen. Doch weder Notenbankpräsident Leszek Balcerowicz, der „Vater des Wirtschaftswunders“ in Polen, noch der Geldrat wollten diesen Forderungen nachgeben. Nun droht die Regierung, die Unabhängigkeit der Notenbank einzuschränken – notfalls auch mit einer Verfassungsänderung.

Tatsächlich brachten die beiden kleineren Koalitionspartner der Demokratischen Linksallianz (SLD) letzte Woche einen entsprechenden Gesetzesentwurf ein, dem dann auch prompt die Mehrheit der Abgeordneten zustimmte. Doch es dauerte keine fünf Tage, da zeigte die Europäische Union die rote Karte. Ernst Welteke, Präsident der Deutschen Bundesbank und Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt, warnte Polen eindringlich davor, die Unabhängigkeit ihrer Zentralbanken einzuschränken. Damit würden sie die angestrebte Aufnahme in die EU aufs Spiel setzen.

Der polnische Gesetzesentwurf hatte vorgesehen, den zehnköpfigen Geldrat der Notenbank um fünf Vertreter der Regierung zu erweitern. Zudem sollte die Wechselkurspolitik nicht mehr von der Notenbank, sondern von der Regierung bestimmt werden. Die Notenbank wäre auch nicht mehr in erster Linie Währungshüter gewesen, sondern hätte sich auch um das Wirtschaftswachstum und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit kümmern müssen. In den USA gehört es zu den Aufgaben der Zentralbank, die Konjunktur im Auge zu haben. Die Euroländer hingegen schwören auf eine unabhängige Zentralbank mit dem einzigen Ziel der Geldwertstabilität.

Nach dem entschiedenen Einspruch der EZB scheint dieses Gesetz vom Tisch zu sein. Präsident Aleksander Kwaśniewski hat bereits sein Veto angekündigt, und auch Ministerpräsident Leszek Miller will das Gesetzesvorhaben nicht mehr unterstützen. Das Grundproblem aber bleibt – das Wirtschaftswachstum Polens hat sich im letzten Jahr auf 1 Prozent verlangsamt, während die Arbeitslosigkeit mit 18 Prozent auf eine neue Rekordmarke gestiegen ist.

Problematisch ist auch die sture Haltung der Regierung: Statt die Steuerpolitik, die Verwaltung und das Arbeitsrecht zu reformieren, um insbesondere den kleinen und mittelständischen Betrieben das Leben zu erleichtern, soll die Notenbank nun durch Interventionen am Währungsmarkt für einen niedrigen Zloty-Kurs sorgen. Da Balcerowicz und der Geldrat aber am freien Zlotykurs festhalten wollen, droht die Regierung jetzt damit, selbst für einen Kursverlust des Zloty zu sorgen. Sie will massiv Fremdwährungen kaufen, um damit Auslandsschulden zu tilgen. GABRIELE LESSER