„Ein Repressionsinstrument der Banken“

Annette Schmedt von der Initiative bürgschaftsgeschädigter Frauen kritisiert die Banken. Die verlangen, dass Ehefrauen bürgen, wenn ihre Gatten Kredit aufnehmen. Tauchen die Männer bei Pleiten ab, droht vielen Frauen Armut

taz: Frau Schmedt, warum sind Bürgschaftsgeschädigte „geschädigt“?

Annette Schmedt: Weil sie ein Leben lang Schulden abtragen müssen, die sie nicht gemacht haben.

Und warum trifft das mehr Frauen als Männer?

In vielen Fällen sind die Schulden durch Existenzgründungen entstanden. Circa 75 Prozent der Existenzgründer sind Männer. Kredite dafür gewähren Banken aber nur, wenn die Ehefrauen mit unterschreiben. Hinzu kommt, dass die Politik Existenzgründung als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit verkauft. Dabei geht die Mehrzahl Pleite. Ich behaupte mittlerweile, dass hinter jeder Insolvenz eine bürgschaftsgeschädigte Frau steht.

Gibt es Muster, wie Frauen in diese Verschuldung geraten?

Am Anfang steht oft die Arbeitslosigkeit des Mannes. Das kann sein Selbstbewusstsein strapazieren. Selbstständigkeit scheint eine Lösung. Die Frauen helfen, weil sie Ehe und Familie retten wollen, und bürgen. Das klassische Muster, wenn es schief geht: Die Männer tauchen ab. Frauen können sich mit den Kindern nicht so leicht aus dem Staub machen. Zudem fühlen sich viele Frauen relativ sicher, da sie Eheverträge abgeschlossen haben. Da steht dann etwa notariell beglaubigt: Der Mann bezahlt die Kredite, während sie umgekehrt auf Unterhalt verzichtet. Doch die Vereinbarung ist für die Bank nicht bindend.

Sind die Folgekosten bei den Frauen – Sozialhilfe, Krankheit, Armut im Alter – nicht höher als die eigentlichen Schulden?

Ja. 90 Prozent der Frauen, die hierher kommen, sind krank mit zum Teil schwersten psychosomatischen Schäden. Sie schämen sich, versuchen alles zu vertuschen. Sie lassen sich auf Vereinbarungen zur Schuldentilgung ein, weit unter der Pfändungsgrenze, verarmen dabei und die Schulden wachsen dennoch. Noch nicht einmal den Banken bringt das finanziell etwas.

Wer profitiert dann davon, dass die Frauen Bürgschaften unterschreiben?

Ich bin der Meinung, dass diese Ehegattenbürgschaften nur noch Repressionsinstrument der Banken Frauen gegenüber sind. Die Banken argumentieren, dass sie die Vermögensverschiebung innerhalb der Ehe verhindern wollen. Also, dass der Mann mit dem geliehenen Geld etwa ein Haus baut und es der Frau überschreibt. Das entspricht aber in keinster Weise unserer Wirklichkeit. Dann wäre der Mann ja finanziell abhängig von der Frau. Und die Angst, dass sie mit einem anderen abhaut und ihn um sein Vermögen bringt, das ist zwar vorstellbar, aber unrealistisch. Dass die Banken eine solche Eventualität dennoch verhindern wollen, ist nachvollziehbar. Warum aber beschränken sie sich bei der Haftungsnehmung dann nicht nur auf jene Fälle, in denen diese Vermögensverschiebung stattgefunden hat? Mir sind übrigens keine bekannt.

Hat das neue Insolvenzrecht etwas verbessert?

Für viele Frauen ist das die letzte Hoffnung.

Wie sicher ist die Finanzierung Ihrer Initiative?

Wir sind ein ABM-Projekt und kämpfen jedes Jahr neu um unsere Gelder. Wir brauchen eine Regelfinanzierung. Bei den leeren Kassen in Berlin wird das sehr schwer. Aber bürgschaftsgeschädigte Frauen sind ein Massenphänomen, das zum Umdenken zwingt. Schulden wurden bisher immer als selbst verursachte Privatschulden gedacht. Im Fall von Frauen ist damit meist Kaufsucht gemeint. Dass aber massenhaft Frauen Schulden für andere haben, dafür muss erst noch eine gesellschaftliche Wahrnehmung hergestellt werden. INTERVIEW: W. SCHWAB