Noahs Erben sind keine Träumer

Archehöfe züchten vorm Aussterben bedrohte heimische Nutztiere, die Jubilare und andere adoptieren oder essen können Von Eva Rhode

Es gibt Wollschafe, Fleischschafe, Deichschafe, Leasingschafe und Rentnerschafe. Alicia ist ein Rentnerschaf. „Vom Typ her, nicht weil sein Besitzer ein Ruheständler ist“, lacht Insa Willmann. Sie hat das gelassene Landschaf Alicia und ihren Vater, einen pensionierten Staatsanwalt, zusammengebracht. Ein Geburtstagsgeschenk, das dem Vater den Kindheitstraum vom Schäferleben näher bringen soll - obwohl der nur einen kleinen Garten hinter dem Haus hat. Deshalb wurde Alicia geleast.

Noch lebt das Aulamm auf einem Archehof im Wesermarsch-Dorf Ovelgönne. Hier züchten Noahs Erben vom Aussterben bedrohte heimische Nutztiere. Viecher, von denen StädterInnen selten gehört haben: die weiße hornlose Heidschnucke, die Diepholzer Gans, das Ramelsloher Huhn, das bunte Bentheimer Schwein oder das Meißner Widderkaninchen. Oder eben den Coburger Fuchs: ein in der Wolle braun bis braunrot gefärbtes Schaf wie Alicia. Christine Masemann in Ovelgönne hält „die Weser-Ems-Linie“ der Coburger Füchse; der norddeutschen Feuchtebene angepasste Nutztiere, die nach dem Vormarsch der Kunstfaser und aufgrund von veränderten Ernährungsgewohnheiten den Kürzeren zogen. „Der Coburger Fuchs ist ein robustes Landschaf. Aber nach fünf Monaten setzt das Fett an“, sagt Masemann - und dass Alicia für Zucht nicht in Frage komme. „Sie hat einen Farbfehler.“

Dem beschenkten Ex-Staatsanwalt dagegen gefällt der weiße Fleck auf der Nase. Und noch hat er ein paar Monate um zu entscheiden, ob Alicia, bevor sie verfettet, ein Braten wird - oder später Mutter. Wenn er einen Platz findet, wo er eine kleine Herde von Alicias Nachkommen unterstellen könnte. Nur aus Spaß an den Schäferstündchen. Für Natur und Geschichte hat sich der Pensionär schon immer interessiert.

Geschichten erleben die Leute auf den Arche-Höfen viele. Bei ChristineMasemann beispielsweise wohnt jetzt das letzte von 19 Paaren der Lipper Gans. Ein ganz junges Paar, das Kenner zum Brüten von den verschiedensten Bauernhöfen zusammengesucht haben. “Zufall, dass es die überhaupt noch gibt“, nickt Masemann. Noch wartet sie auf das erste Lipper Gänseei. Aber vielleicht kann sie inein paar Jahren schon diese relativ kleine Gans leasen -fürs Weihnachtsessen.“Nutztiere sind eben nützlich“, lacht sie.

Auf den Arche-Höfen gilt das Aufess-Prinzip als das gängiste aller Leasing-Modelle. Kontrollierter Anbau sozusagen, denn nicht wenige Besitzer besuchen ihren Braten vor dem Schlachttag. “Namen kriegen die Tiere dann aber nicht“, weiß Antje Reincke vom Worpsweder Arche-Hof. Auch sie hat Lämmchen schon rosa Geschenkschleifen umgebunden und einen bunten-Bentheimer-Ferkel-Gutschein für Hochzeitsjubilare gebastelt. Für eins von zwei Ziegenböckchen, die vom Hof gingen um mit Kindern zu spielen, suchte sie sogar später eine neue Bleibe. Gute Betreuung der Tiere hält sie für einen Knackpunkt in der Leasing-Zusammenarbeit. „Es muss klar sein, was ich zu tun habe, wenn ein geleastes Tier krank wird“, sagt sie. Ebenso dass, wer züchte, geleaste Tiere aus Platzgründen nicht ewig auf dem Hof halten könne, auch wenn Room&Board bezahlt sind.

Nur eine Ausnahme kennt Reincke von dieser Regel: “Das goldene Huhn.“ Eine Vegetarierin hatte das Federvieh vorm Kochtopf bewahrt, indem sie monatlich 20 Mark für Futter zahlte. „Davon haben viele Hühner gegessen“, berichtet Bäuerin Reincke vergnügt.

Arche Höfe haben unterschiedliche Schwerpunkte. Manche nehmen auch Gäste auf, betreiben Hofläden oder bieten Seminare an. Eine Liste ist erhältlich bei der GEH-Geschäftsstelle, Am Eschenbornrasen 11, 37213 Witzenhausen, Tel. 05542-18 64. Näheres unter www.genres.de/tgr/geh-arch