Kofi Annan beschwört die historische Chance

Der UN-Generalsekretär versucht im Zypern-Konflikt zwischen Griechen und Türken zu vermitteln. Die Zeit drängt, denn die EU drückt aufs Tempo

ISTANBUL taz ■ Zum Abschluss gaben sich alle zufrieden. Von den Kontrahenten Klafkos Clerides und Rauf Denktasch über den UN-Generalsekretär Kofi Annan bis zum Sprecher des Weißen Hauses machten alle auf Optimismus. Eine Lösung des jahrzehntelangen Konflikts auf Zypern sei bis Ende Juni möglich. Vorausgesetzt, die jeweils andere Seite würde sich bewegen. Er, so Kofi Annan auf seiner Pressekonferenz, habe beide Seiten eindringlich an ihre Verantwortung erinnert, diese historische Chance nicht verstreichen zu lassen.

Aus diesem Grund war Annan als erster UN-Generalsekretär nach 22 Jahren erstmals wieder persönlich auf die geteilte Insel gekommen. In intensiven Einzelgesprächen versuchte er den Chef der Zyperngriechen, Clerides, und den Vorsitzenden der türkischen Community, Denktasch, zu überzeugen, dass die Zeit für Kompromisse gekommen sei.

Seit Mitte Januar 2002 verhandeln Griechen und Türken unter dem Dach der UNO wieder in direkten Gesprächen über einen neuen Status zur Überwindung der Teilung auf der Insel. Die Ausgangspositionen liegen weit auseinander. Während Clerides sich als international anerkannter Präsident Zyperns begreift und Denktasch und die Inseltürken auffordert, sich dem Gesamtstaat anzuschließen, besteht Denktasch auf einer Souveränität für den Norden und schlägt den Griechen vor, auf der Basis der beiden existierenden Staaten einen neuen „Partnerschaftsstaat“ zu bilden, der, mit Vertretern beider Seiten besetzt, den griechischen Süden und den türkischen Norden vertritt.

Bislang haben beide Seiten den jeweils anderen als kompromisslosen Hardliner hingestellt. Während die Griechen sagen, Denktasch habe sich nicht bewegt, behauptet dieser, Clerides würde alle Vorschläge abschmettern. Zuletzt ließ die türkische Seite durchsickern, Clerides habe gefordert, die Türken müssten von jetzt 36 Prozent der Insel, die sie kontrollieren, auf 25 Prozent zurückgehen. In diesem Teil sollten 100.000 Griechen angesiedelt werden und alle Festlandstürken, die nach Nordzypern eingewandert wären, müssten gehen. Die Inseltürken sollten einen Minderheitenstatus wie die Türken in Nordgriechenland bekommen.

Dieses Angebot führte dazu, dass der türkische Premier Ecevit seine Unterstützung für Denktasch bekräftigte. Annan hat deutlich gemacht, dass die Zeit drängt. Denktasch erklärte, es sei konstruktiv geredet worden, aber eine Lösung könne bis Jahresende dauern. Die EU will in diesem Jahr entscheiden, ob sie den Süden allein aufnimmt, was die Teilung zementieren würde. JÜRGEN GOTTSCHLICH