Echter leben

Auch ohne Warriors auf dem Kreuzzug ins Glück: Die New-Metal-Band P.O.D. spielte in der Columbiahalle

Was war man doch gespannt auf die Warriors! So nennen sich die eingefleischten Fans der amerikanischen Christenrock-Band P.O.D., die auf deren Homepage Debatten über die Grausamkeit der Hexenverbrennungen oder die zweifelhafte Bedeutung von Sex vor der Ehe führen; Fans also, die keinen Spaß verstehen und auch P.O.D. jeden Ausrutscher krumm nehmen (die Band trinkt gern mal einen über den Durst).

Vor der Columbiahalle allerdings stehen an diesem Mittwochabend die durchschnittlichen New-Metal-Fans mit ihren Skaterhosen und Turnschuhen, ihren Korn- und Pennywise-T-Shirts und stimmen sich mit den geläufigen Drogen auf das Konzert ein: hier ein Tütchen, dort ein Tütchen, Büchsenbier und Lambrusco. Von Warriors keine Spur. Immerhin ist den gut 2.000 P.O.D.-Fans das Champions-League-Finale herzlich egal. Richtig „alive“ ist man eben bei einem Konzert der Lieblinge und nicht auf dem Sofa beim Fußball. Da macht es auch nichts, dass P.O.D. auf sich warten lassen, weil sie ihre Freunde von Skindred und Ill Nino mitgebracht haben. Reggae-Metaller und Ex-Dub-War die einen, Latin Metaller die anderen, sorgen sie für das stimmige Warm-up, können sich aber, wie sich das gehört, nicht wirklich entfalten.

Das ist den vier Herren von P.O.D. vorbehalten. Die entsprechen mit Dreads, Kopftüchern und Bollerhosen ihren Bandfotos und haben auch ihr Logo, das die Einheit von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist symbolisieren soll, als Bühnendeko mitgebracht. Sie legen mächtig los, können aber beim objektiven Betrachten und Zuhören nicht den Verdacht ausräumen, dass ihr Sound ein höchstens handelsüblicher ist und ohne jede Überraschung auskommt: Metal und Rap; Riffs, die Limp Bizkit besser im Programm haben; Stampeden, die Rage Against The Machine schon energischer vorgetragen haben. Zugute sei P.O.D. gehalten, dass sie schon seit 1992 zusammen musizieren, also keine Epigonen, sondern eher Blaupausen sind und jetzt erst mit ihrem fünften Album „Satellite“ einen größeren Ruhm eingefahren haben. Kein Wunder, dass der große Überschwang erst bei den aktuellen Hits aufkommt: bei „Satellite“, das korrektes Mitgrölpotenzial hat, und vor allem natürlich bei „Youth Of The Nation“, ein Song mit Kinderchor und ernster Nachdenk- und Come-Together-Philosophie, der Jay-Zs „Hard Knock Life“ oder „Runaway Train“ von Soul Asylum locker auf die Plätze verweist. Die Kinder, die es alle nicht leicht haben in der Schule, werden per Video auf die Bühne projiziert und im Publikum skandieren alle: „We are the youth of the nation.“ Zusammen mit dem gleichfalls stürmisch bejubelten „Alive“, file under Pearl Jam: „I’m still alive“, hat man dann die drei Säulen, auf denen P.O.D.s Sendung steht – Jugend, Leben, Welt.

Da braucht es keinen Jesus oder Gott, da sind P.O.D. gern auch den weltlichen Dingen zugetan: Lassen die Freunde backstage und auf der Bühne ihren Spaß haben (Punkrock!), wundern sich über die lange Stille vor den Zugaben (Was ist los, Freunde, kaputt?) und feiern dann den Geburtstag ihres Sängers („Happy birthday“, Torte). Wer braucht da noch Warriors auf dem Kreuzzug ins Glück? GERRIT BARTELS