„Es bedarf massiven Drucks“

Die Schweizer „Medienhilfe Exjugoslawien“ fördert den Auf- und Umbau unabhängiger Medien in Südosteuropa. Ein taz-Interview mit ihrem Geschäftsführer Roland Brunner

taz: Vor welchen Herausforderungen stehen die Medien im früheren Jugoslawien?

Roland Brunner: In den Ländern Exjugoslawiens bedarf es eines massiven gesellschaftlichen Drucks auf die Politik, um die Transformation voranzutreiben. Die Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, als Forum der Diskussion über die Aufarbeitung der Vergangenheit, die Öffnung von Tabuthemen sowie die Frage nach Optionen für die Zukuft. Dafür braucht es Unabhängigkeit von der politischen Macht. Demgegenüber stehen jedoch Regierungen, die alte politische Muster wieder anwenden. Ihr Problem war früher ja nicht, dass die Medien kontrolliert wurden – sondern dass die falsche Partei sie kontrollierte.

Auch Ihre Organisation hat in der Vergangenheit häufig das Engagement des Westens im Medienbereich auf dem Balkan kritisiert. Was stört Sie?

Es fehlt an einer kohärenten Strategie der internationalen Politik für den Balkan und an einem langfristigen Konzept für die Integration Südosteuropas. Was die Medien angeht, so ist die Frage ihres Stellenwertes in der Friedensförderung noch nicht geklärt. Zwei Konzepte streiten miteinander. Das eine setzt unter Aufwendung von Mitteln in Millionenhöhe auf eine Umwandlung der Staatsmedien in öffentlich-rechtliche Anstalten. Das zweite will vor allem unabhängige Medien fördern, die in den vergangenen zehn Jahren bewiesen haben, dass sie zu professionellen Journalismus fähig sind, und die Voraussetzungen schaffen, um eine plurale Medienlandschaft zu entwickeln. Ich denke, dass der erste Weg falsch ist. Der Umbau der Staatsmedien wird nur erfolgreich sein, wenn ihnen ein starker privater Sektor gegenübersteht.

Wo setzt die Medienhilfe jetzt konkret an?

Wir unterstützen lokale Medien, die die Bedeutung lokaler Minderheiten stärken und nicht kommerziell geführt werden können. Die Integration ethnischer Minderheiten ist eine zentrale Frage der Friedensförderung in Südosteuropa. Weiter fördern wir besondere Produktionen auch großer, wirtschaftlicher überlebensfähiger Medien, um so den Recherchejournalismus zu stärken. Drittens bemühen wir uns um eine Vernetzung, sowohl regional als auch international. So fördern wir einen gemeinsamen Dokumentarfilm des kosovo-albanischen Koha TV und des serbischen Senders B 92 über die Massaker in Suva Reka. Dies ist nur eins von 50 derartigen geplanten Projekten, die von der Schweizer Medienhilfe mit jeweils 20.000 bis 30.000 Euro unterstützt werden.

INTERVIEW: BARBARA OERTEL