Alligatorreste am Schuh

■ Lagerhaus: Mardi Grass.bb aus Mannheim am Mississippi

Kalkutta liegt am Ganges. Paris liegt an der Seine. Und Mannheim am Mississippi. Anders ist nicht zu erklären, woher die Band Mardi Grass.bb ihr Feuer hernimmt – das sie nicht nur unterm Hintern, sondern auch in der Lunge zu haben scheint. Am Dienstag abend blies sie damit dem zahlreichen Publikum im Lagerhaus den Marsch.

Der Name der elfköpfigen Band verweist auf den Karneval in New Orleans. Ihre Musik, eine Mischung aus Funk, Soul und Jazz, scheint direkt aus den Sümpfen Lousianas zu blubbern. Vor dem inneren Auge tauchen Marching Bands auf den Straßen und schrullige Typen in verräucherten Spelunken auf, die sich die Alligatorreste von den Schuhen putzen. Wenn die elfköpfige Band loslegt, Reverend Krug ins Sousaphon bläst, dass einem die tiefen Töne die Hosenbeine schlackern lassen und Sänger Doc Wenz seine verruchte Whisky-Stimme ins Mikro raunzt, ist kaum zu glauben, das Mardi Grass.bb nicht die Dampfer auf dem Mississippi, sondern die Binnenschiffe auf dem Neckar bestaunen.

Die Groove-Attacke erinnert an ein Meeting vom Fanfarenzug mit Captain Beefheart und dem männlichen Stimmenpendant zu Macy Gray. Die Komposition: Gangster-Jazz meets Trümmer-Blues. Stimmungsmucke für die Party vor dem Auslandsaufenthalt. Das Saxophon klingt wie ein wieherndes Pferd und die Trompeten lachen dazu wie Frauenstimmen an der Straßenecke. Ebenso wie die Musiker dazu begeistert über die Bühne hüpfen, lässt auch das Publikum seinen Bewegungen freien Lauf – soweit das in dem begrenzten Rahmen möglich ist.

Auf ihrer neuen Langrille „Zen Rodeo“ schwebt über dem blechernen Meer ein Hauch von Western-Romantik. Wenz besingt das Pferd von Lucky Luke, und der Koch einer bekannten Fernseh-Ranch bekommt einen Song als Dessert serviert. Und da Coversongs sich ja momentan verkaufen wie Vanilleeis bei 30 Grad im Schatten, gibt es als Sahnehäubchen „Kung Fu Fighting“ auf „blasiastisch“.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Entertainerfähigkeiten des Doc Wenz, der in seiner Vita tatsächlich auf medizinische Kenntnisse verweisen kann. Keiner schwingt so gekonnt die Hüfte wie er und trippelt dabei mit den Cowboystiefeln den Cha-Cha-Cha- Rhythmus, als wolle er es mit einem tänzelnden Pony aufnehmen. Nebenbei zwingt er noch die Zuschauer in die Knie, indem er ihnen direkt in die Augen guckt und unter Einbeziehung all seiner Gesichtsmuskeln zum gleichnamigen Songtitel bittet: „Down, Down, Down.“ Selbstironisch kündigt er ein langsames Stück damit an, es sei jetzt an der Zeit, der Blasenschwäche freien Lauf zu lassen.

Nach diesem Durchlauf folgte der Rundlauf durch die Zuschauer. Die Band beendet ihr Konzert mit einem Bad in der Menge, bevor sie sich wieder heimischen Gewässern widmen wird – sei es der Mississippi oder das Rhein-Neckar-Delta. Sörre Wieck