Das Gold der Iren

Die Iren nehmen sich für sich in Anspruch, den Whiskey erfunden zu haben. Heute ist seine Herstellung größtenteils in französischer Hand. Das Verbot der privaten Whiskeyproduktion gilt seit 1760, doch es wurde fleißig weitergebrannt

Irischer Whiskey: „Ein Elixier, das auf viele Art wohltuend sein kann“

von RALF SOTSCHECK

Whiskey – welch erhabenes Wort. Man denkt dabei an Gentlemen in Tweed-Jackets, an Torffeuer und Pfeifenrauch – oder an eine Alkoholvergiftung. Meine Beziehung zum Whiskey begann recht stürmisch. Damals, ich war 17, lud unser Lateinlehrer die gesamte Klasse zur Wohnungseinweihung ein. Meine Mitschüler gossen mir ein ums andere Glas Whiskey ein und behaupteten, es sei ein schwach alkoholhaltiges Erfrischungsgetränk. Da ich noch nie einen Tropfen Alkohol angerührt hatte, kannte ich den Unterschied nicht. 18 Stunden später wachte ich auf der Wiederbelebungsstation eines Krankenhauses auf.

Später gab mir ein Freund ein Buch von Malachy Magee, einem Whiskey-Historiker – falls es einen solchen Beruf überhaupt gibt. „Whiskey ist ein Geschenk der Natur“, hieß es im Vorwort, „ein Elixier, das auf viele Art wohltuend sein kann, wenn man es in Maßen und mit dem Respekt, den es verdient, zu sich nimmt. Diesen großartigen Tropfen durch übermäßige Zügellosigkeit zu missbrauchen, kann dagegen eine bedauerliche Übung in Selbstbestrafung sein.“ Der Mann hat Recht. Der Name des hochprozentigen Getränks stammt von einem alten gälischen Wort ab: „Uisce Beatha“, Lebenswasser. Weil die Soldaten des englischen Königs Heinrich II., die Irland im 12. Jahrhundert besetzten, das Wort nicht aussprechen konnten, verballhornten sie es zu Whiskey. Irischen Whiskey – früher wurde er bisweilen wie der schottische Whisky ohne „e“ geschrieben – gibt es seit mehr als tausend Jahren. Die Iren sind stolz darauf, dass sie ihn erfunden haben, wenn auch die Schotten diese kulturelle Leistung für sich beanspruchen. Bis zur Prohibition war irischer Whiskey in den Vereinigten Staaten marktbeherrschend. Während des Alkoholverbots 1920 bis 1933 brannten viele Amerikaner Whiskey schwarz und gaben ihm wohl klingende irische Namen. Dadurch wurde der Ruf des irischen Whiskeys ruiniert, weil die Qualität des illegalen Gebräus erbärmlich war. Nach Aufhebung der Prohibition eroberte Scotch Whisky den US-Markt. Denn der schottische Whisky war damals billiger herzustellen. Die Schotten brennen ihren Whisky meist nur zweimal und mischen ihn mit einem billigen Kornwhisky. Zur besseren Vermarktung schlossen sich 1965 die irischen Whiskey-Brennereien zur „Irish Distillers Group“ zusammen, zunächst noch ohne die nordirische Bushmills-Brennerei, die 1973 hinzukam. Es nutzte wenig, heute sind bis auf eine Brennerei alle in französischer Hand.

Früher brannte jede zweite Familie auf dem Land ihren eigenen Whiskey, Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Dublin fast 2.000 Wirtshäuser. 1906 schrieb James Joyce: „Die Dubliner sind die hoffnungsloseste, nutzloseste und widerspruchsvollste Rasse von Scharlatanen, der ich je auf der Insel oder auf dem Kontinent begegnet bin. Der Dubliner verbringt seine Zeit mit Schwatzen und Rundgängen durch die Bars, Schenken und Spelunken, ohne je seine doppelten Quantitäten von Whiskey oder Selbstverwaltung satt zu kriegen, und nachts, wenn nichts mehr reingeht und er mit Gift angefüllt ist wie eine Kröte, stolpert er aus einem Nebenausgang und geht, geleitet vom instinktiven Wunsch nach Standhaftigkeit, der geraden Häuserfronten entlang und schrubbt seinen Rücken an allen Mauern und Ecken. Er ertastet sich den Weg ‚mit dem Arsch‘, wie wir auf Englisch sagen. Da haben Sie Ihren Dubliner.“

Illegal ist die private Schnapsherstellung schon seit 1760, doch per Gesetz ließ sie sich nicht unterbinden: Die Brennerei ging weiter. Andererseits hatte die Illegalisierung Folgen. So schrieb vor 150 Jahren der Schnapshändler Walter Thomas Meyler, dass tausende Iren vor ihren Gläubigern von der Insel fliehen mussten. Denn viele Kleinbauern konnten ihre Pacht nämlich nur deshalb bezahlen, weil sie sich mit Schwarzgebranntem etwas hinzuverdienten. Dieser illegale Whiskey hieß „Poitín“. Das Zeug soll „Fleischwürmer töten, Melancholie vertreiben, den Darmwind pfeifen lassen und dem Altern Einhalt gebieten“, so wird in alten Schriften behauptet. 1892 erklärte die katholische Kirche die Schwarzbrennerei zur Kardinalsünde, doch das himmlische Verbot fruchtete genauso wenig wie das irdische. Brendan Behan, der später ein berühmter Dramatiker wurde, schrieb 1962: „Poteen ist glatter Mord. Das ist das Ende, ihr könnt mir das glauben, denn ich habe sehr viel Erfahrung damit.“ Das stimmte: Zwei Jahre später hatte er sich zu Tode gesoffen.