Die allerletzten Probleme der Menschheit

Bienenfleißige Superpezialisten arbeiten im Kapitalismus emsig für eine noch bessere und schönere Welt der Produkte

Ist es nicht toll, dass die Windelhose ihren Erfolg den Kopfwindelträgern verdankt?

Der böse Kapitalismus macht ja nicht nur alles kaputt, sondern bringt gleichzeitig auch viele behämmerte Berufe hervor. Zum Beispiel das „Nasenteam“ von Opel. Allesamt studierte Chemiker, die in schicken weißen Kitteln in fabrikneuen Autos herumkriechen und den ganzen Tag nichts anderes tun, als an Sonnenblenden, Gangknüppeln und Ersatzrädern zu riechen, während eine große Wärmelampe das Auto auf Sahara-Temperatur erwärmt.

Ziel des Opel-Nasenteams ist das noch bei 100 Grad im Schatten „geruchsneutrale“ Auto, auch wenn der Käufer bestimmt gleich am ersten Tag den Vanille-Duftbaum in den Wagen hängt oder selber stinkt. Irgendwann ist so ein Riechkolben-Chemiker dann ein Fall für „Wetten dass?“, weil er tausend Autos am Geruch ihres Rückspiegels erschnuppern kann. Auch in der wunderbaren Welt der Verfahrenstechniker gibt es tolle Spezialisten. Und der fleißige Kapitalismus erfindet ständig neue Probleme für sie. Einer erzählte mir neulich, dass der Schoko-Nippel oben am Magnum-Eis einfach nicht wegzukriegen ist. Ein ganzes Heer von Eisherstellungstechnikern beißt sich daran gerade die Zähne aus, aber der olle Schoko-Nippel taucht trotzig immer wieder an der Magnumspitze auf. Und das ist nur die Spitze des Problembergs.

Noch schlimmer ist es mit den Windeln. Die müssen für Deutsche eher öko und dünn sein, für Araber dagegen plastik und dick. Und die Japaner können es einfach nicht ausstehen, wenn der Klebestreifen der Windel „rrratsch“ macht. Das kann der Japaner nicht ab. Und deshalb sitzen in Köln ein paarhundert erwachsene Männer über Windelkonstruktionszeichnungen, machen Längs- und Querschnitte und experimentieren mit vielen Litern Ersatzflüssigkeit. Selbst geruchsneutrale Kunstkacke, wahrscheinlich vom Nasenteam entwickelt, verbrauchen die Windelmänner in rauen Mengen.

Ohne die Araber wäre man beim Windelproblem Saugfähigkeit nie so weit gekommen, wie man es heute ist, erklärte mein Windelinformant. Ein Ölscheich aus den Arabischen Emiraten hatte nämlich ein Problem mit seinem stattlichen Golfplatz. In der grausamen Wüstensonne wollte der Rasen einfach nicht so sprießen, wie der Scheich es wollte. Drum ließ der Scheich mit viel Geld kleine Kunststoffböppel entwickeln, die ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Flüssigkeit aufnehmen und halten konnten. Diese Wundernupsis ließ der schlaue Scheich auf dem Golfplatz verstreuen, und siehe da: Wenn der Rasen einmal gewässert war, hielten die Superkunststoffknödelchen die Feuchtigkeit tagelang und es wuchs grün und saftig, so weit des reichen Scheichs Auge sah.

Super, dachten sich die deutschen Windelfachmänner, als sie dort einmal abseits des aufreibenden Jobs an der Ersatzflüssigkeitsfront in Ruhe ein paar Bälle einlochten, das packen wir einfach in die Windeln. Der Rest der grandiosen Erfolgsgeschichte ist allgemein bekannt: Heute muss man ein kleines Balg nach der Geburt nur einmal kurz wickeln und kann die tafte Windel praktisch bis zur Geschlechtsreife anlassen. Ist es nicht toll, dass die saugfähige Untenrumwindel ihren Durchbruch den islamischen Kopfwindelträgern verdankt? Von wegen Kampf der Kulturen. Vom Islam lernen heißt wickeln lernen.

MATTHIAS THIEME