Das bin ich!

Selbstdarstellung in sechs Minuten: In Porträts 360 sek setzt Michael Laub 14 Mitarbeiter des Schauspielhauses in Szene  ■ Von Karin Liebe

Was ist ein Porträt? Meyers Taschenlexikon definiert es als „Brustbild, Gesichtsbild eines Menschen“. Aber auch im Journalismus gibt es die Form des Porträts: Da soll es schön menscheln und der Promi zum Anfassen lebendig werden. Dieser Text zum Beispiel könnte ein Porträt von Michael Laub sein. Ist er aber nicht. Weil 60 Minuten Gesprächsdauer nicht ausreichen, um vom Regisseur und Choreographen, geboren und aufgewachsen in Belgien, seitdem zwischen den USA, Schweden, Indien und den Niederlanden pendelnd, einen persönlichen Eindruck zu bekommen, der über Attribute wie „braun gelockt, Raucher, spricht gern und viel auf Englisch mit irgendwie französischem Akzent“ hinausgingen.

Macht nichts. Dafür schlüpft Laub, der seit über 20 Jahren mit der Theater- und Tanzcompany Remote Control Productions zusammenarbeitet, in seiner jüngsten Regiearbeit selbst in die Rolle des Porträt-Journalisten. Für sein Stück Porträts 360 sek, das am Sonnabend im Malersaal Premiere feiert, bat er 14 Mitarbeiter des Schauspielhauses, sich in jeweils sechs Minuten selbst darzustellen. Mit dem Ziel, neben einer geballten Personality-Show auch eine Art Porträt des Schauspielhauses zu zeichnen.

Anfangs, so Laub, zierten sich die Mitarbeiter. Keiner wollte so recht an dem Projekt mitarbeiten, doch dann brach das Eis, und die Zahl der Interessenten überstieg die der Gesuchten. Laub kannte keinen persönlich – eine für ihn ungewöhnliche Ausgangssituation. Sind doch seine bisherigen Arbeiten von besonders engen Beziehungen zu Schauspielern und Tänzern geprägt. Monatelang wird da rund um die Uhr geprobt – an einem Staatstheater mit Schauspielern, die täglich in einem anderen Stück auftreten.

Auch in Hamburg ist Laub, der zuletzt die Indien-Hommage Total Masala Slammer Heartbreak No. 5 am Hebbel Theater Berlin produzierte, kein Unbekannter: Mit der schwedischen Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin Charlotte Engelkes produzierte er Solo (1995), zuletzt war Planet Lulu (1997) zu sehen. Gleich fünf naiv-verführerische Kindfrauen im Louise-Brooks-Outfit mit Bubikopf stellte er auf die Bühne – Ausdruck seiner ureigenen Obsession: „Ich liebe solche Frauen“, schwärmt Laub.

Genau diese persönliche Vorliebe sei auch der Grund für ihn, Theater zu machen. Laub ist bekannt dafür, dass er in seinen Stücken Genregrenzen aufhebt und Text, Tanz, Musik, Film und bildende Kunst kombiniert. Klassisches oder konventionelles Theater langweilt ihn. Gegen Begrenzungen im Allgemeinen ist er aber nicht allergisch. Porträts 360 sek eine Auftragsarbeit, bei der das Konzept und das Zeitlimit von sechs Minuten pro Person vorgegeben waren. „Ich mag solche Rahmen“, sagt Laub.

Eine Bedingung allerdings stellte der Regisseur: Er wollte nicht nur Schauspieler porträtieren. Denn Laub liebt die Arbeit mit Laien oder Halbprofis. Neben Ensemblemitgliedern wie Wiebke Puls, Anne Weber, Bernd Moss oder Samuel Weiss setzen sich daher auch ein Kartenabreißer, ein Fahrer, eine Putzfrau und ein Statist in Szene.

Manche der Porträtierten traten mit einer Fülle von Material an: Videos, Geschichten, Fotos, Musik. Er nahm in manchen Fällen fast alles für das Porträt, dann wieder nur einen kleinen Ausschnitt. Klar, dass da manche Meinungsverschiedenheiten über Auswahl und Form der Präsentation aufkamen. Welche, darüber schweigt Laub sich aus. Eine Diva, so erzählt er dann doch, war mit dem Zeitlimit nicht zufrieden. Sie wollte lieber einen ganzen Abend bestreiten. Laub fand die Idee gut, doch dann machte die Diva einen Rückzieher.

Was haben diese 14 Menschen nun gemeinsam? Wo ist der rote Faden? Ihr Arbeitsplatz am Schauspielhaus, so Laub, sorge für ganz spezielle Neurosen. Dann korrigiert er sich sofort: „für ganz bestimmte Verhaltensweisen“. Schauspieler seien durch einen spezifischen Stress geprägt – ständige Lautsprecherdurchsagen, atmosphärische Schwingungen, Kantinengeraune. Seine Aufgabe als Regisseur sieht Laub darin, die Formen der Selbstdarstellung innerhalb dieses Kosmos in zwei Richtungen zu lenken: entweder extremes Posieren oder authentisches Agieren. Alles dazwischen sei langweilig. Und das darf natürlich nicht sein.

Premiere: Sonnabend, 27. April, 20 Uhr, Malersaal, weitere Vorstellung: Mittwoch, 1. Mai, 20 Uhr