Schröder und die Politik der Asterixe

taz: Vor zwei Wochen trafen sich die Ehepaare Schröder und Jospin in Berlin ganz privat. War das politische Verhältnis so eng, wie es das gemeinsame Abendessen demonstrieren sollte?

Rudolf von Thadden: Was das persönliche Verhältnis betrifft, hat sich der Bundeskanzler auch um Jacques Chirac bemüht. Aber die französischen Sozialisten brauchen jetzt Wochen, bis sie sich selbst wieder gefunden haben – so lange sind sie nur ganz schwache Gesprächspartner für die deutschen Sozialdemokraten.

Über die Parlamentswahlen hinaus?

Es sieht jedenfalls nicht gut aus. Am Sonntag hat sich ja nicht nur Lionel Jospin aus der Politik verabschiedet, auch die linken Gruppierungen außerhalb der Sozialistischen Partei sind zusammengenommen stärker als die PS selbst geworden. Die deutsche Linke von der SPD bis zu PDS und Grünen muss sehen, wie zersplittert die Linke in Frankreich ist: Allein die Trotzkisten haben mehr als 10 Prozent bekommen – während man in Deutschland schon gar nicht mehr weiß, was Trotzkisten sind.

Kann der SPD-Vorsitzende Schröder denn aus Jospins Niederlage lernen?

Nicht für die SPD, die ist ja ziemlich geschlossen. Aber er kann lernen, wie individualistisch die Franzosen sind. Wenn man einmal begriffen hat, dass Frankreich das Volk des Asterix ist, dann versteht man auch das Wahlverhalten: Die Franzosen toben sich aus im ersten Wahlgang und lassen dort ihren Launen freien Lauf. Erst im zweiten Wahlgang machen sie Ernst – nur dass sie diesmal unterschätzt haben, dass schon der erste Wahlgang ernst sein kann.

Le Pen hat mit europakritischen Parolen Erfolg gehabt, wird deshalb auch Präsident Chirac künftig in der Europapolitik bremsen?

Europa ist kein Gewinner dieser Wahl. Im Wahlkampf haben sich weder Chirac noch Jospin für Europa exponiert. Aber nicht nur für die Europapolitik gilt: Le Pens Erfolg ist ein Erdbeben – und jeder, der sich mal mit Erdbeben beschäftigt hat, weiß, dass man erst nach ein paar Tagen die Schäden abschätzen kann.

INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ