Das Straßenbild

Die Reklamerezension. Heute: Perfekter Sitz mit !bolero

Ireen Sheer hat uns das alles schon einmal vorgemacht, 1978. Da vertrat die englischstämmige Schlagersängerin Deutschland beim Grand Prix mit einem Lied, das vor lauter Leidenschaft lichterloh brannte. „Feuer!“, schrie sie, „brennt nicht nur im Kamiiin. Feuer! Brennt doch auch in mir driiin. Und es wird immer heißßßer und heißßßer durch deine Liebe.“ Und um die infernalische Feuerglut auch optisch nachvollziehbar zu machen, schleuderte sie ihr nerzartiges Bolerojäckchen in hohem Bogen hinter sich. Fehlte nur noch, dass sie einen glühenden Schürhaken ins Auditorium gepfeffert hätte. Mit dieser lodernden Darbietung schaffte sie es, dass ihr Song – der den deutschen Vorentscheidungsjuroren so peinlich war, dass sie für eine Runde Aussetzen plädiert hatten – international immerhin Rang sechs erzielte.

Einige der Sheer’schen Ingredienzen begegnen uns heute, vierundzwanzig Jahre später, auf Plakatwänden wieder: die Hingabe, die Leidenschaft – und nicht zu vergessen: das Feuer. Aber um das nachvollziehen zu können, müssen wir dem taz-Schwarzweiß wieder einmal Leben und Farbe einhauchen. Also: Das Plakat ist auch in Wirklichkeit schwarzweiß, nur die Papptüte in der Mitte, die im taz-Druck so unverdächtig nach Kräutertee aus dem Bioladen aussieht, die leuchtet auf dem Plakat in einer Farbskala, die sonst nur für Zipp-Kohleanzünder benutzt wird: von Glutorange bis Feuerrot. Aber hier geht es nicht um Kaminware, hier geht es um Sex! Um „Hingabe ohne geringstes Zögern“. Um Kondome. Kondome von !bolero. Bolero? War das nicht dieses nervös machende, ewig lange Musikstück von Ravel, fast so totgeritten wie die traurigen Klimpereien von Erik Satie? Nein, das war das schützenswerte Jäckchen von Ireen Sheer! RKR