Eine Frage der Ehre – und der Regeln

Zwei Jahre nach einer olympischen Medaille wartet der deutsche Taekwondo-Sport noch immer auf den Durchbruch – auch bei den German Open

Kennen Sie Dang Dinh Kytu oder Ireno Fargas Fernandez? Henk Meiyer oder Aziz Archaki? Wenigstens Jesper Roesen oder Faissal Ebnoutalib? Keine Sorge, das ist jetzt keine weitere Bildungslücke. Es handelt sich um Menschen, die in ihrem Fach Europameister, Weltmeister und Olympiasieger sind. Trotzdem sind sie hierzulande mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unbekannt. Das ist das Problem.

Es ist aber auch nicht von der Hand zu weisen, dass Taekwondo für den normalen Mitteleuropäer eine gewöhnungsbedürftige Sportart ist. Beispiel German Open in Berlin. Man sieht sechs Matten, auf denen die Männer und Frauen rumhopsen, als hätten sie Metallfedern unter den nackten Füßen. Ständig piept irgendwo eine Uhr oder ein Punktezähler wie ein Wecker, sehr unangenehm. Und dann erst das Geschrei der Athleten, wenn sie in die Luft springen und mit den Beinen herumwirbeln. Bei den Männern hört sich das an wie das Gekeife von wild gewordenen Affen, leider.

„Ich sage den Leuten immer, das ist koreanisches Karate“, erklärt der Schiedsrichter Rasmus Stroux in einer Zigarettenpause. „Unsere Sportart ist in Deutschland noch völlig unbekannt. Judo kennt jeder, Karate auch. Aber Taekwondo? Wenn Sie mich fragen liegt es daran, dass die Regeln ganz schön kompliziert sind. Deswegen kommen auch so wenig Zuschauer in die Hallen. Wenn du nicht fachkundig bist, verstehst du nichts. Schauen Sie sich doch mal um. Es sind doch nur Athleten und Trainer da, vielleicht noch ein paar Eltern.“

„Es gibt auch falsche Vorstellungen“, ergänzt sein Kollege Wolfram Lommatsch. „Wir schlagen uns ja nicht nur, sondern treten auch noch aufeinander ein. Verletzt wird da niemand, aber die Zuschauer meinen, das sei brutal. Insgesamt ist es für die Leute nicht interessant. Im Grunde kloppen wir uns nur für die Ehre.“

Dass das so ist, muss einstweilen auch Sibylle Maier einsehen, die Pressereferentin in der Deutschen Taekwondo Union (DTU). Soweit ersichtlich war sie die Einzige, die im Horst-Korber-Sportzentrum mit einem Fotoapparat um die Wettkampfmatten schlich. „Die körperliche Gewalt, die Disziplin, die Rangordnung, das gehört ja alles zum Taekwondo dazu. In Deutschland ist das aber suspekt. Als Selbstverteidigung wird Taekwondo hier akzeptiert, als Sportart nicht. Uns fehlt einfach der große Durchbruch.“

Vor zwei Jahren schien die Zeit gekommen zu sein. Zum ersten Mal durften die Taekwondo-Athleten an Olympischen Spielen teilnehmen. Zur Freude der deutschen Delegation erkämpfte sich der gebürtige Marokkaner Faissal Ebnoutalib in Sydney auch noch eine Silbermedaille. Dabei blieb es aber.“ Am Anfang war das Interesse der Medien und Sponsoren da“, berichtet der 31-Jährige, „später leider nicht mehr. Das ist enttäuschend, vor allem, weil es doch eine spannende Sportart ist. Es ist doch wie Katze und Schlange, wenn wir gegeneinander kämpfen.“

Georg Streif weiß, worauf es ankommt. „Wir brauchen Fernsehminuten“, sagt der Chefbundestrainer der DTU. „Wir müssten den Sponsoren sechs Übertragungen pro Jahr garantieren, aber momentan können wir nur drei anbieten.“ Deshalb haben sich die deutschen Taekwondo-Funktionäre etwas ausgedacht. Ab dem nächsten Jahr soll es eine Bundesliga geben. Eine Liga-Ordnung hat Streif schon ausgearbeitet, es soll eine Nord- und eine Südgruppe geben, die beiden Ersten jeder Gruppe sollen überkreuz um die deutsche Meisterschaft kämpfen. „Das bringt erstens Kontinuität in unsere Sportart. Zweitens kommen dann die Sponsoren und die Medien“, meint Cheftrainer Streif.

Vielleicht hilft auch die Weltmeisterschaft weiter, für die der DTU den Zuschlag bekam. Sie wird im nächsten Jahr in Garmisch-Partenkirchen ausgetragen, und zwar parallel zum Oktoberfest. Das gibt garantiert eine volle Halle. OLIVER WEGNER