Ohne dritte Seite keine Befriedung

Noch gibt es bezüglich Auftrag, Zusammensetzung und Einsatztermin einer internationalen Präsenz in Israel/Palästina keine offiziellen Planungen. Aber UNO und EU-Länder stellen schon Überlegungen an

GENF taz ■ Als „persönliche Meinung“ hat Gerhard Schröder am Montag vor der Kommandeurstagung der Bundeswehr seine Überlegung deklariert, zur Befriedung der Lage in Israel/Palästina sei eventuell „ein von der UNO legitimierter Militäreinsatz“ erforderlich. Im so genannten Ideenpapier seines Außenministers Fischer ist noch zurückhaltender und ohne weitere Details von der Notwendigkeit einer „wirksamen Sicherheitskomponente“ die Rede.

Für die Zurückhaltung in der Frage einer internationalen Präsenz in der Konfliktregion gibt es noch gute Gründe. Zwar fordern die Palästinenser, die Arabische Liga und die Islamische Staatenkonferenz eine solche schon seit geraumer Zeit. Doch die Regierung Scharon hat bislang alle Vorschläge schroff abgelehnt. Vor allem aber haben die USA im UNO-Sicherheitsrat bis jetzt alle entsprechenden Überlegungen der Franzosen, Russen und anderer Ratsmitglieder sowie von Generalsekretär Kofi Annan mit einer Vetodrohung abgeblockt. Erst wenn die Bush-Regierung ihre Haltung ändert, dürfte auch die Berliner Regierung öffentlich deutlicher formulieren, wovon die in Deutschland für das Thema Nahost politisch Zuständigen inzwischen allesamt überzeugt sind: Ohne die physische Präsenz einer durchsetzungsfähigen dritten Seite sind eine Deeskalation und ein stabiler Waffenstillstand nicht zu erreichen, der wiederum Vorbedingung wäre für die Wiederaufnahme von Verhandlungen.

Es ist nicht auszuschließen, dass US-Außenminister Colin Powell beim heutigen Nahost-Krisengipfel in Madrid zumindest ein Umdenken seiner Regierung in dieser Frage signalisieren wird. Sicher ist, dass sowohl UNO-Generalsekretär Annan wie die Vertreter der spanischen EU-Präsidentschaft und auch Russlands Außenminister Iwanow darauf drängen werden, dass die USA nicht nur ihren Widerstand gegen eine internationale Präsenz aufgeben, sondern sich auch an einer solchen beteiligen.

Über Auftrag, Form, Umfang, Zusammensetzung, Einsatzort und -termin gibt es zwar noch keine offiziellen Planungen, wohl aber mehr oder weniger konkrete Vorüberlegungen hinter den Kulissen sowohl der UNO wie einiger EU-Regierungen. Am weitesten vorgewagt haben sich bislang Frankreichs Staatspräsident Chirac und Premierminister Jospin mit dem Vorschlag, im Westjordanland eine unbewaffnete Beobachtergruppe zu stationieren.

Über diese Variante wird auch in der Abteilung für Peacekeeping-Operationen (DPKO) der New Yorker UNO-Zentrale nachgedacht. Es gibt im DPKO allerdings auch Stimmen, die für eine flächendeckende internationale Präsenz an allen potenziellen Konfliktorten plädieren – also im Westjordanland, im Gaza-Streifen und zumindest in/um Jerusalem – sowie für die Stationierung von Militäreinheiten oder wenigstens von robust ausgerüsteten Polizeikräften. Als warnendes Beispiel aus der Vergangenheit wird im DPKO an den Einsatz der unbewaffneten OSZE-Vertreter im Kosovo ab Oktober 1998 erinnert. Diese konnten sich seinerzeit weder gegenüber den Armee- und Polizeieinheiten der Serben durchsetzen noch gegenüber den irregulären Guerillaverbänden und „Terroristen“ der albanischen UÇK. Der damalige Auftrag der OSZE-Vertreter, den Waffenstillstand im Kosovo zu überwachen, durch ihre Präsenz deeskalierend zu wirken und etwaige Gewalttaten beider Seiten zu dokumentieren, scheiterte weitgehend.

Im Vergleich zum Kosovo ist die Situation in Israel/Palästina für internationale Sicherheitskräfte mit noch größeren Risiken und Unwägbarkeiten verbunden. Werden die Anschläge und Selbstmordattentate nach der Vereinbarung eines Waffenstillstandes und der Stationierung von internationalen Sicherheitskräften aufhören? Wie werden sich die Bewohner der jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten nach einem Rückzug der israelischen Armee verhalten, zumal wenn für die künftigen Verhandlungen über eine dauerhafte Friedensvereinbarung die Räumung dieser Siedlungen auf die Tagesordnung gesetzt wird? Überall, wo über die Frage einer internationalen Sicherheitspräsenz beraten wird, gibt es – bei allen zahlreichen noch offenen Fragen – in drei Punkten Konsens: Basis soll ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates sein; die USA müssen sich mit Zivil- bzw. Militärpersonal beteiligen, möglichst auch die EU und Russland; Israel muss der internationalen Präsenz zustimmen. Was geschehen soll, wenn die Regierung Scharon diese Zustimmung weiterhin verweigert, darüber will bisher niemand spekulieren. ANDREAS ZUMACH