„A ist Krieg, B ist Frieden“

Die schwierige Route dazwischen will Joschka Fischer nehmen. Mit den USA am Steuer – und drei gewichtigen Beifahrern: Uno, EU und Russland

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Wenn es um eine Lösung für den Nahen Osten geht, sind große Etiketten schnell bei der Hand. „Mitchell-Plan“ hieß die eine Initiative, „Tenet-Plan“ die nächste – und gescheitert sind sie beide. Nun also legt Joschka Fischer ein Konzept für den Weg zum Frieden vor. Ein Fischer-Plan? „Nix da Fischer-Plan!“, tönt es kategorisch aus dem Haus am Werderschen Markt 1 in Berlin, wo der Außenminister sein Büro hat. Der bescheidene Titel der Sieben-Punkte-Liste lautet „Ideen-Papier“. Die Erwartungen sollen nicht davonfliegen, die Pleiten von US-Senator Mitchell und seinem CIA-Kollegen Tenet sind dem Deutschen Warnung genug.

Ausgangspunkt der Fischer-Initiative ist eine Erkenntnis, die aus der Eskalation der Osterzeit erwuchs: Wenn die eine Seite Selbstmordbombe um Selbstmordbombe zündet und die andere die Panzer bis vor Arafats Bürotür rollen lässt, dann kann ein Friedensengel nur noch von außen kommen. „Die Konfliktparteien sind zu einer Lösung nicht mehr selbst fähig“, sagt lapidar ein hochrangiger Diplomat.

Die zweite Erkenntnis ist kaum origineller: Der Versuch der Vermittler Mitchell und Tenet, Israelis und Palästinenser stufenweise zum Frieden zu führen, ist gescheitert. „Step-by-Step ist tot“, meinen nicht nur Fischers Mannen. „Die entscheidenden Frage ist, wie kommt man von A nach B“, heißt es im Auswärtigen Amt. A ist Krieg und B ist Frieden. Seit beide Seiten de facto Krieg führen, kann nur noch ein großer Wurf den Anreiz bieten, die Kluft zu überbrücken und die Kämpfe einzustellen: ein konkreter Plan für zwei Staaten in gesicherten Grenzen. Seit letzter Woche, so glauben die Deutschen, gibt es für diese Idee einen Verbündeten: US-Präsident George Bush. Ohne die USA im Fahrersitz, das betont Fischer immer, braucht man in eine Straße zum Frieden gar nicht erst einzubiegen. Die drei Beifahrer stehen schon bereit, morgen in Madrid wollen sie sich mit US-Außenminister Powell treffen: Die EU, derzeit unter spanischer Präsidentschaft, UN-Generalsekretär Annan sowie Russland, vertreten durch Außenminister Iwanow.

Der naheliegendste Vorwurf gegen die Fischer-Intiative lautet, sie packe nur altbekannte Ideen zusammen. „Sie müssen das in der ganzen Sequenz sehen!“, heißt es es dazu beschwörend aus dem Auswärtigen Amt. Jede Idee für sich sei zu wenig. Der deutsche Vorschlag kombiniert bekannte Konzepte mit einem „Road Map“ und einer „Time Line“, einem Fahrplan also und einem Zeitrahmen von zwei Jahren. Im Idealfall sähe der Ablauf dann so aus: Auf einen uneingeschränkten Waffenstillstand soll die „Trennung“ beider Seiten erfolgen, also der Rückzug Israels, wie von Bush gefordert. Es folgt die Verpflichtung beider Seiten zum Verzicht auf jeglichen Terror bei Anerkennung des wechselseitigen Existenzrechts. Dann, viel schneller als bisher erwartet, soll Palästina als Staat ausgerufen werden – auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch viele Fragen, die „Endstatus-Verhandlungen“, offen sein werden. Mehr als bisher bei Arafats Palästinenserbehörde soll das Quartett aus USA, UNO, EU und Russland dabei auf die innere Demokratie Palästinas achten. Nur dann hätten Israel und Palästina eine Chance, im „End Game“ zueinander zu finden. Beschützen soll den Prozess das internationale Quartett – doch wie, ist nur einer der vielen offenen Fragen der Fischer-Initiative.

Warum sollte es klappen? Das Fischer-Team antwortet fatalistisch, nicht optimistisch: Weil es nicht anders geht. „Die Vertreibungsfantasien beider Seiten werden niemals Realität werden.“