Die Aktualität des Golfkriegs

Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur hat Fatima Mernissis Buch über die islamische Identität zur Zeit des Golfkriegs überarbeitet. Ist das Werk noch aktuell?

1992 erschien anlässlich des zweiten Golfkriegs Fatima Mernissis Buch „Die Angst vor der Moderne“. Für die Neuauflage 2002 wurde es leicht gekürzt und aktualisiert.

taz: Mernissi beschreibt in ihrem Buch, wie es der arabischen Bevölkerung während und nach dem zweiten Golfkrieg erging. Ist dieser Zustand heute noch relevant oder was ist das Neue, was in dem Buch erzählt wird?

Katajun Amirpur: Auch wenn das Buch nach dem zweiten Golfkrieg geschrieben wurde und sich nach wie vor stark auf ihn bezieht, enthält es doch viele verbindliche und allgemeine Bezüge, die gerade heute, nach dem Afghanistankrieg, wieder aktuell und relevant sind. Wenn man überlegt, dass Amerika wieder gegen den Irak vorgehen will und sich keine Gedanken darüber macht, was das in der arabischen Welt auslösen würde, dann greifen Mernissis Beschreibungen: Auch wenn die arabische Welt sonst nicht richtig füreinander einsteht, spätestens bei einem erneuten Angriff wird die sorgsam zusammengeschürte Anti-Terror-Koalition der Amerikaner zusammenbrechen.

Und weil nach dem 11. September in Teilen der westlichen Gesellschaften ein Nachdenken über eigene Werte und das Verhältnis zum Islam eingesetzt hat …

… sollte man auch die Sicht der arabischen Welt kennen. Mernissi beschreibt Sachverhalte, die gerade heute wichtig sind: die Denkmuster und die Innensicht der islamischen Welt, die nur wenige im Westen kennen. Sie beschreibt sehr ausführlich, wie sich die Araber nach dem Kriegsbeginn und -verlauf damals gefühlt haben. Niemand hat bestritten, dass Hussein der Aggressor war und Kuwait zu Unrecht angegriffen wurde. Doch die arabische Gemeinschaft stellte sich dann schnell auf die Seite des irakischen Volks, als sie sich fragte, was es für einen Sinn haben sollte, dass die Zivilbevölkerung so unendlich leiden muss.

taz: Also eine Art Aufforderung nach mehr Sensibilität im Umgang mit Menschen, die man an den Pranger stellt?

Ja, so kann man das Buch auch lesen. Die Geschehnisse des Golfkriegs und gerade diese Erfahrung noch einmal erzählt zu bekommen kann helfen, viele dieser Dinge besser zu verstehen. Außerdem ist es gut, dass eine Frau sich in der Weise einbringt, weil es aus dieser Region so wenige weibliche Stimmen gibt.

INTERVIW: SEMIRAN KAYA