Staatsknete für Kahn & Co.?

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Solange die Bundesliga ihren Spielern astronomische Gehälter zahlt, kann der Staat nicht mit Steuergeldern einspringen. Vor allem dann nicht, wenn er gleichzeitig das Kleidergeld für Sozialhilfeempfänger streicht. Wie ein Bauarbeiter bei Holzmann muss auch ein Fußballspieler zu Lohnverzicht bereit sein, wenn die Firma in Gefahr ist – findet WILLI LEMKE

Kein Bundesligaverein muss Pleite gehen, wenn Kirch für seine Übertragungsrechte nicht mehr zahlen kann. Die Bundesliga verfügt insgesamt über so viel Geld, dass sie durch ein vernünftiges Verteilen auch die Benachteiligung von Vereinen ausgleichen kann, die zum Beispiel in strukturschwachen Regionen liegen. Da müssen sich eben alle an einen Tisch setzen.

Das Nächstliegende ist: Die Vereine müssen die astronomischen Spielergehälter überdenken, die seit dem letzten Fernsehvertrag gezahlt worden sind. Da muss man gegebenenfalls auch bereit sein, den einen oder anderen Abgang zu verkraften. Wenn ich es aber einem Holzmann-Mitarbeiter zumuten kann, dass er auf einen Teil seines Lohnes verzichtet, um die Firma zu retten – dann kann ich das erst recht einem Bundesligaspieler zumuten.

Bei Holzmann konnte ich es viel leichter nachvollziehen, dass der Bund vor zwei Jahren mit einer Bürgschaft eingesprungen ist. Da ging es um tausende von Arbeitsplätzen – von Leuten, die Tag für Tag bei Wind und Wetter draußen stehen. Mit denen kann ich mich viel leichter solidarisieren als mit den Profikickern, die heute bei Bayern München, morgen bei Marseille und übermorgen bei Arsenal London spielen. Die Bauarbeiter bei Holzmann sind mir viel näher als die Einkommensmillionäre bei Bayern München.

Im Senat werde ich jeden Tag mit Sparmaßnahmen konfrontiert. Ich wüsste sofort, wie ich ganz viel Geld in den Schulen sehr sinnvoll in die Köpfe unserer Kinder investieren könnte. Stattdessen streichen wir das Kleidergeld für Sozialhilfeempfänger. Überall sehe ich, wie knapp das Geld ist.

Angesichts dieser persönlichen Erfahrungen kann ich unmöglich sagen: Ist doch kein Problem, wir geben eine Bürgschaft. Die Bürgschaft kann im Falle einer Insolvenz von der Bank gezogen werden. Und der Steuerzahler zahlt dann die horrenden Verträge. Er löffelt aus, was ihm Leo Kirch beschert hat.

Wenn es darum geht, den einzelnen Vereinen gezielt zu helfen – dann ist das Sache der Länder und Kommunen. Werder Bremen zahlt zum Beispiel eine Stadionabgabe von einer halben Million Euro im Jahr. Wenn der Verein in Liquiditätsprobleme kommen würde, was nicht der Fall ist, dann könnte ich sagen: Wir stunden jetzt mal die Stadionabgabe. Die zahlt ihr, wenn’s euch wieder besser geht. Oder ich kann mit der Deutschen Städtereklame reden, dass die mal einen etwas größeren Anteil der Werbeeinnahmen dem Weserstadion zufließen lassen, um die Situation zu stabilisieren.

Aber zu sagen: Generell und für alle Clubs insgesamt 200 Millionen Euro, damit der FC Bayern München weiter Oliver Kahn und Stefan Effenberg finanzieren kann – das geht überhaupt gar nicht. Ob es im Wahlkampf populär ist oder nicht: Angesichts der Haushaltsnotlage von Bund und Ländern kann ich darüber nicht ernsthaft nachdenken.

Ich kenne einige Vereine, die mit dem Geld von Leo Kirch sehr vernünftig umgegangen sind. Der SC Freiburg beispielsweise hat im ersten Jahr das komplette Geld in ein Jugendinternat gesteckt. Soweit ich weiß, hat Werder Bremen das Geld auch nicht komplett für Verträge, Transfers und Spielervermittler ausgegeben.

Das Schlimme ist: Bei vielen Vereinen haben die Einnahmen ausschließlich dazu geführt, dass die Gehälter – auch der durchschnittlichen Spieler – ins Astronomische gestiegen sind. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir für Spielevermittler inzwischen so viel ausgeben wie für Topspieler! Wenn der Schock der fehlenden Millionen von Kirch dazu führt, dass das wieder etwas vernünftiger wird, dann ist das vielleicht sogar ein positiver Effekt der ganzen Misere.

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Der Staat muss helfen, wenn der Profifußball durch äußere Einflüsse ins Stottern kommt. Schließlich geht es um eine Arbeitsplatzmaschine, und Geld genug ist da. Die hohen Löhne der Kicker spielen dabei gar keine Rolle – meint REINER METZGER

Die Politik muss für die Fußballprofivereine bürgen, falls sie durch die drohende Pleite des Medienkonzerns Kirch in kurzfristige Schwierigkleiten kommen sollten. Daran kommt niemand vorbei. Der wichtigste Grund für die Politiker ist zweifellos, dass sie gar nicht anders können: Man stelle sich vor, die 100-Millionen-Euro-Raten von Kirch Media Anfang Mai und Anfang August bleiben aus – und einige arme Bundesligavereine wären praktisch zahlungsunfähig. Wichtige Spieler und Trainer würden sofort nach einem neuen Verein Ausschau halten, die Vorbereitung für die nächste Saison wäre im Ansatz gestört. Wer aufsteigt und wer absteigt, wäre auch unklar – bei drohenden Insolvenzen sind ja auch die Bundesligalizenzen in Gefahr. Und das während einer laufenden Fußballweltmeisterschaft! Die Schlagzeilen könnten vernichtender nicht sein. Die Partei, die daran die Schuld in die Schuhe geschoben bekommt, hätte bei der anstehenden Bundestagswahl keine Chance mehr. Also ist von vornherein klar, dass sowohl Edmund Stoiber als auch Gerhard Schröder bürgen werden.

Das Ganze macht aber auch wirtschaftspolitisch Sinn. Mit einer Bürgschaft von Bund und Ländern wird für etwa ein halbes Jahr gesichert, dass die Vereine flüssig bleiben. Danach haben sich dann andere Bieter für die lukrativen Senderechte des deutschen Fußballs samt den daran hängenden Werbeeinnahmen gefunden . Vielleicht ein wenig billiger als bei Kirch, aber immerhin – und die Vereine können ihre neuen Etats auf gesicherten Zahlen kalkulieren.

Wohlgemerkt geht es hier nur um 200 Millionen Euro, die dann einen florierenden Wirtschaftszweig aufrecht erhalten – von Fernsehproduktionsfirmen und Werbeagenturen über die Hersteller von Fanartikeln bis zu den Bier- und Currywurstverkäufern in den Stadien. In Deutschland wirft der Staat an allen Ecken und Enden für viel größeren Blödsinn mehr Geld zum Fenster hinaus. Außerdem handelt es sich um Bürgschaften. Bund und Länder müssten also nur mit Steuergeldern einspringen, wenn ein Verein die gesicherten Darlehen nicht zurückzahlen kann.

Ganz nebenbei hilft eine Staatsbürgschaft vor allem den kleinen Vereinen. Die Großen können mit ihren Champions-League-Millionen und höheren Werbeeinnahmen Verluste eher wegstecken. Vereine wie Borussia Mönchengladbach oder diejenigen der Zweiten Bundesliga bestreiten ihren Etat jedoch zur Hälfte mit den Sendemillionen. Wenn davon ein großer Teil ausfällt oder auch nur verzögert kommt, gehen dort schnell die Flutlichter aus.

Der dümmste Vorschlag von allen ist jedoch, endlich den viel zu hoch bezahlten Spielern das Gehalt zu kürzen und so die ausfallenden Kirch-Millionen wieder auszugleichen. Mag sein, dass die hiesigen Kicker mehr erhalten, als die meisten von uns gut finden. Um „gerechte“ oder „angemessene“ Löhne und ähnliches Gefasel geht es beim Profifußball aber überhaupt nicht. Die Vereine mit ihren professionellen Managern und Trainern sind wirschaftlich auf das Produktionsmittel Spieler angewiesen. Die Fußballer füllen die Stadien, sie bringen Zuschauer, sprich: Kunden – und damit Geld. Und nur wer viel Geld hat, kann auf Dauer oben mithalten im Hochleistungssport.

Niemand zwingt die Vereine, in einer Profiliga zu spielen. Niemand zwingt sie, hohe Gehälter zu zahlen. Sie tun es freiwillig, in freien Verhandlungen mit den Spielern und deren Agenten. Gute Spieler sind augenscheinlich Mangelware, sonst könnten sie ja nicht so viel Geld aus knauserigen Schatzmeistern herausholen. Das ist wie bei Software-Spezialisten oder edlen Oldtimern: Niemand braucht sie wirklich zum Überleben. Aber der Markt und damit das Geld dafür ist da, und das zählt nun mal in einer kapitalistischen Marktwirtschaft.

Wenn nun – wie so häufig – diese Marktwirtschaft nicht so funktioniert wie sie sollte, kann der Staat durchaus helfend eingreifen. Der Eingriff muss nur auf einen klar bezeichnteten, kurzen Zeitraum beschränkt werden. Aber das kommt der Politik in diesem Fall entgegen: Im Herbst sind Bundestagswahlen, danach kehrt politisch hoffentlich wieder Ruhe ein – und die Bürgschaft kann auslaufen.