Mit allem Wollen und Fühlen

■ CDU-Überzeugungsoffensive: Im Gerhard-Marcks-Haus sprachen PolitikerInnen und Kulturprominenz über das Projekt „Europäische Kulturhauptstadt“

Sie sammeln sich. Schon Anfang 2001 war in der Bürgerschaft die Rede davon, seit vergangenem Herbst zirkuliert es verstärkt in Gremien und Foyers, das Schlagwort von der Kulturhauptstadt (siehe Kasten). Was bisher geschah: Bei der Diskussion des Kulturhaushalts im Dezember kündigte Kultursenator Kuno Böse (CDU) an, eine Bewerbung Bremens als „Europäische Kulturhauptstadt“ im Jahr 2010 in die Wege zu leiten. Im Januar wollte Böse das Konzept dem Senat präsentieren. Tat er aber nicht. Dafür machte er weiter Werbung. Und sammelte am Donnerstagabend im Gerhard-Marcks-Haus die Verbündeten aus Partei und Kulturszene um sich.

CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff saß da auf dem Podium, außerdem Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU), Bernd Hockemeyer von der Handelskammer und Klaus Pierwoß, Intendant des Bremer Theaters. Böses erste Nachricht: „Das Konzept ist fertig. Ich habe es dem Senat noch nicht vorgelegt, weil die Zeit dafür noch nicht reif ist. Denn da stehen Kosten in Höhe von 20 Millionen Euro drin.“ Das ist die hässliche Seite der Medaille. Aber über die wollte Böse an diesem Abend nicht reden. Sein Thema war die Schokoladenseite, die guten Gründe, warum sich Bremen trotz leerer Kassen bewerben könne, solle, müsse.

Da wäre erstens die „Vielfalt“ der Kulturlandschaft, mit der sich Bremen im Vergleich zu gleichgroßen Städten „sehen lassen kann“. Zweitens wäre da die Geschichte: „Bremen ist die älteste unabhängige Republik innerhalb der heutigen BRD“, es ist „geprägt durch Bürgerfreiheiten und bürgerschaftliches Engagement“. Der Kern und Aufhänger von Böses Bewerbungskonzept ist dementsprechend: Die „Bürgerstadt Bremen“.

„Standortfaktor Kultur“, „Neubürger gewinnen“, „Kulturtourismus“ – es war nichts wirklich Neues, was Böse und Kollegen zu sagen hatten. Denn an diesem Abend machte der Ton die Musik: Böse gibt sich als wild entschlossener Visionär, sein Beitrag klingt wie die Motivationsrede eines Feldherrn vor der Schlacht. Eckhoff will es „konkret“ und schlägt mit nervösem Eifer vor, „so schnell als möglich eine GmbH zu gründen“. Hockemeyer ist ganz der kunstfreundliche Finanzmann aus der Wirtschaft, von vorneherein offen, am Ende endgültig überzeugt: „Es war ein klärendes Gespräch.“

Eine kontroverse Diskussion mit der anwesenden Kulturprominenz fand nicht statt: Alle sind sich einig, alle wollen es machen. Riga, Danzig, die Kinder und „der kleine Mann“ (Böse, Eckhoff) – alle sollen mit ins Boot, alle werden bedient, alle sollen die Idee Kulturhauptstadt lieben. Böse: „Die Bürger Bremens müssen mit allem Wollen und Fühlen dahinter stehen.“ Die Überzeugungs-Offensive läuft an. Oder, mit den Worten des Impresarios Böse: „Es brennt noch nicht in dieser Stadt. Das Fieber ist noch nicht da. Wir müssen es erzeugen.“ Jakob Flex