Truppe zweifelt am Dienst

Jahresbericht gleicht Mängelbericht: Wehrbeauftragter lehnt neue Auslandseinsätze ab. Versorgung und Betreuung der Soldaten sei schon jetzt nur ungenügend, die Informationspolitik belastend

von NADIA LEIHS

Mit russischen Soldaten verwechselt zu werden, kann in Kabul gefährlich sein. Denn seit der Besetzung Afghanistans zwischen 1979 und 1989 durch sowjetische Truppen sind Russen in dem zentralasiatischen Land höchst unbeliebt. Für die knapp 2.300 deutschen Soldaten hat sich das nach Angaben des Wehrbeauftragten der Bundesregierung, Willfried Penner, als Sicherheitrisiko entpuppt. Die Soldaten seien wegen ihrer Uniform nicht klar als Deutsche zu erkennen und würden von der Bevölkerung oft für Russen gehalten.

Mit insgesamt 4.981 Eingaben sei die Zahl der Beschwerden und Fragen auf dem Niveau des Vorjahres geblieben, sagte Penner gestern bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2001 in Berlin. Er wolle nicht „quengeln“, aber er könne erneut keinen Zustands-, sondern nur einen Mängelbericht vorlegen.

Die Auslandseinsätze haben nach Ansicht Penners die Möglichkeiten der Bundeswehr „erschöpft“. Neue Aufgaben könne sie nur übernehmen, wenn dafür andere Einsätze abgegeben würden. Die Soldaten fühlten sich bereits durch die Steigerung der Auslandseinsätze und damit verbundene Zusatzaufgaben im Inland „überlastet“.

Die Klagen der über 9.000 im Ausland stationierten Soldaten über die Qualität von Sicherheitsausstattung, Unterbringung und Betreuung reichten von „einzelnen Unzulänglichkeiten“ bis hin zu „gravierenden infrastrukturellen Mängeln“. So fehle es in der afghanischen Hauptstadt Kabul an gepanzerten Lautsprecherwagen. Auf dem Balkan fehlten genügend Unterbringungsmöglichkeiten, zum Teil stünden nur vier Quadratmeter pro Soldat zur Verfügung. Geräte wie Fahrzeuge seien ebenso wie die Ersatzteile zum Teil „älter als die Soldaten“.

Scharf kritisierte Penner den Informationsfluss hinsichtlich des Einsatzbeginns in Afghanistan zum Jahreswechsel. Dabei sei der Eindruck entstanden, dass die Medien besser informiert gewesen seien als die betroffenen Soldaten: Für „die jungen Soldatenfamilien“ sei „eine unangenehme, belastende Situation“ entstanden.

Vorwiegend bei den auf dem Balkan stationierten Soldaten würden vermehrt „Zweifel am Sinn des Dienstes“ laut, warnte Penner. Die Soldaten vermissten eine politische Perspektive für die Region.

Heftige Kritik gebe es weiterhin an der Länge der Auslandseinsätze, die mit sechs Monaten gerade für junge Familien eine Belastung sei, sowie an der als zu gering bewerteten Höhe der Auslandszuschläge.