Literarischer Saloon

Ein Buch und eine CD: Franz Dobler stellt die jüngsten Resultate seiner Beschäftigung mit Johnny Cash vor  ■ Von Julian Weber

„Countrymusik“, so definierte es einmal der in Nashville/Tennessee hoch angesehene Songwriter Harlan Howard, sei nichts anderes als „drei Akkorde und die Wahrheit“. Kaum jemand entspricht dieser so banal wie doppelbödig anmutenden Vorstellungswelt besser als Johnny Cash, der am 26. Februar seinen 70. Geburtstag feierte.

„The man in black“, wie Cash in Anlehnung an sein existenzialistisches Äußeres (schwarze Sonnenbrille, schwarzes Hemd, schwarze Hose) auch genannt wird, durchlebt Countrymusik in all ihren Widersprüchen seit mehr als fünf Jahrzehnten. Anlass genug für den Schriftsteller Franz Dobler, das Phänomen Cash in einem Buch und mit einer Coverversionen-CD zu würdigen.

Wenngleich The Beast in me – Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik als Titel etwas zähneknirschend klingt, ist das Buch ein vergnüglich zu lesender literarischer Saloon, bei dem man sich an verschiedenen Stellen ein- und wieder ausklinken kann. Dobler, auch als DJ tätig und als Hörspielautor, bringt – ohne dabei allzu sehr der popjournalistischen Faktenhuberei zu verfallen oder dem Kulturpessimismus des Feuilletons beizupflichten – die zentralen Stationen von Cashs Biografie mit dessen Musik in Einklang. Er macht daraus aber eine eigene Geschichte. Wir erfahren in Rück- und Vorblenden nicht nur von Cashs Kindheit in Armut, über seine Militärzeit in Deutschland, die Ankunft im Rock'n'Roll-Memphis der fünfziger Jahre, seine Konzerte im Knast oder sein triumphales Comeback in den Neunzigern. Wir erfahren auch einiges über seine Songtexte und über Cashs Anziehungskraft auf die amerikanische Lesbenszene. Wir erfahren aber auch, wie Dobler sie verstanden hat, wie er Deutschland verstanden hat, was hiesigen Patriotismus und jenen in Amerika voneinander unterscheidet, und was Drogen, Gewalt und Sex im Leben von Johnny Cash für eine Rolle gespielt haben.

Wie auch sein Verhandlungsgegenstand, hat sich der im bayerischen Augsburg lebende Dobler, gestählt in vielen Diskursgefechten der achtziger und neunziger Jahre, eine Zähigkeit zugelegt. Manchmal wird man das Gefühl nicht los, dass er am Computer sitzt und währenddessen mit geladenen Pistolen he-rumfuchtelt, weil er sich in einem Westernheftchen wähnt. Trotzdem wirkt Dobler nie wie ein verbaler Sackkratzer, der erst zu viel Nick Cave gehört und dann die Whiskey-Werbung im Kino missdeutet hat.

Cashs Markenzeichen, der lakonische Boom-Chicka-Boom-Sound, hat bei Dobler durchaus eine Entsprechung gefunden: „Ich würde monatelang nur noch Cash hören können. Ich würde den Mann danach nie wieder hören können. Ich sagte zu.“ Keine Popliteratur. Die mit allen alternativen Country- und Kulturtheorie-Wassern gewaschenen Betrachtungen fließen tief, weil Dobler zwischen Deutsch und Englisch hin- und herpendelt, sogar einzelne, von Cash gerne benutzte Worte erklärt und deutet. Ein nützlicher Steinbruch also.

Schon in früheren Jahren hat Dobler unter dem im Nach-Wende-Deutschland etwas missverständlich aufgenommenen Titel Wo ist Zuhause, Mama? für das Münchener Label Trikont „Perlen deutschsprachiger Popmusik“ zusammengestellt. Als Ergänzung zu The Beast in me erscheint nun eine von ihm editierte CD mit Cash-Coverversionen. Alles in allem 19 Songs von so unterschiedlichen Figuren wie dem Exil-Chilenen und ehemaligem Joe Strummer-Mitmusiker Alvaro, Jörg „the Modernist“ Burger, Queen of Japan und den Hamburger LokalmatadorInnen Cow, Bernadette Hengst und Mann ohne Schmerzen (Fink). Country erfreut sich hierzulande schon seit geraumer Zeit einer etwas rauheren Behandlung, auch und gerade durch die Elektronik- und Postpunkgeneration. Auch mit „A Boy Named Sue“ wird Countrymusik nicht zum Friedhof der Kuscheltiere, sondern erfährt mal mehr, mal weniger beseelt eine Bearbeitung, die der Definition „drei Akkorde und die Wahrheit“ recht nahe kommt.

Franz Dobler liest und legt Platten auf: morgen, 20 Uhr, Neues Cinema

Franz Dobler, The Beast in me. Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik, Verlag Antje Kunstmann, München 2002, 269 S., 18,90 Euro

Diverse, A Boy Named Sue. Johnny Cash revisited, Trikont/Indigo