Hilfe nur noch anderswo

Kaum eine Schwangere, die eine Abtreibung erwägt, besucht die Beratungsstellen der katholischen Kirche. Denn dort gibt es keinen Schein für einen legalen Abbruch mehr

BERLIN taz ■ Gut ein Jahr ist es nun her, dass an den Beratungsstellen der katholischen Kirche die Schilder ausgetauscht wurden. Aus der Schwangerschaftskonfliktberatung wurde die Schwangerschaftsberatung. Mit dem Wort „Konflikt“ war auch der Schein verschwunden, der für eine legale Abtreibung nachgewiesen werden muss.

Kardinal Karl Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, zog im Februar eine negative Bilanz: Zum einen muss die Kirche nun Fördergelder der Länder einklagen, die wegen des fehlenden Scheins nicht mehr zahlen wollen. Zum anderen ist die Zahl der Schwangeren, die sich bei kirchlichen Stellen über einen eventuellen Abbruch beraten lassen wollten, 2001 fast auf null zurückgegangen.

Erfolge bei der Schwangerenkonfliktberatung konnte im vergangenen Jahr nur einer vorweisen: der Limburger Bischof Franz Kamphaus. Er hatte in seinen Beratungsstellen – zwölf von der Caritas, zwei vom Sozialdienst katholischer Frauen – als einziger Bischof gegen den Wunsch von Papst Johannes Paul II. an der gesetzlichen Konfliktberatung festgehalten. Seine Bilanz sah positiv aus: Laut einem internen Zwischenbericht an den Papst soll sich die Hälfte der rund 330 Frauen, die 2001 bei seiner „Aktion Konfliktberatung“ einen Schein erhielten, für das Kind entschieden haben.

Die Beratungssstellen der katholischen Kirche außerhalb des Bistums Limburg erreichten hingegen die Frauen in einer Konfliktsituation kaum mehr. Die Schwangeren sind zur Konkurrenz gegangen: einige zu Organisationen wie Pro Familia, Arbeiterwohlfahrt, Diakonie – viele zu Angeboten der kirchlich geprägten Laienorganisationen Donum Vitae und Frauenwürde e. V. Der Verein Donum Vitae war 1999 gegründet worden, um die Lücken, die die Kirche hinterließ, zu füllen. Auch wenn sich die Gründer zunächst „Kirchenspaltung“ vorwerfen lassen mussten, haben sie mittlerweile 90 Beratungsstellen in Deutschland aufgebaut, und die Zahl der Beratungen steigt stetig. Donum Vitae rechnet nach einer Auswertung der Zahlen des ersten Halbjahrs mit über 20.000 Erstberatungen im vergangenen Jahr. Nur zum Vergleich: Die Zahl der Schwangerenkonfliktberatungen der Caritas lag im Jahr vor dem Ausstieg, also 2000, noch bei 15.800.

Wegen des Ausstiegs der Bischöfe aus der Schwangerenkonfliktberatung rechnet die Laienorganisation damit, dass noch mehr Frauen bei ihr Hilfe suchen werden. „Eine Stelle, die keinen Schein mehr ausstellt, ist nicht mehr attraktiv“, sagt Birgit Mock von Donum Vitae.

Der Verein „Frauenwürde“, der zur Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ gehört und selbst Beratungen anbietet, kritisiert weiterhin die Haltung der katholischen Kirche. „Die Kirche hat sich aus einer Notsituation von Frauen zurückgezogen. Die Frauen, die in einer Gewissensnot sind, werden im Stich gelassen“, sagt Annegret Laakmann, Vorsitzende des Vereins.

Der Ausstieg sei einer der Gründe, warum sich viele Frauen von der katholischen Kirche abwenden. Es sei jedoch sicher nicht der einzige: „In der Kirche gibt es eine Bündelung von Missachtung der Frauen. Sie haben überhaupt kein Mitbestimmungsrecht. Zu sehen, dass die Kirche mich allein lässt, bleibt nicht ohne Wirkung“, sagt Laakmann. NICOLE JANZ