Alles streng vertraulich

Schwangerschaftsberatung bei Pro Familia: Wer hierher kommt und sich für einen Abbruch entschieden hat, muss sich dafür nicht rechtfertigen. Bei Unsicherheiten wird Hilfe geboten

„Zu uns kommen in letzter Zeit auch immer häufiger Männer“

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch geht so manche Frau durch diese Tür. Der Grund ihres Kommens: die Pflichtberatung vor einem geplanten Schwangerschaftsabbruch.

Denn im Paragraf 219 des Strafgesetzbuches heißt es: „Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.“ Ein Schwangerschaftsabbruch kann nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen, „wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, dass sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt“. Entsprechend verunsichert sind bei dieser Gesetzeslage die Frauen, die sich zu einem Abbruch entschlossen haben und die Beratungsstelle von Pro Familia aufsuchen, um den obligatorischen Schein zu erhalten.

„Oft haben die Frauen Angst vor der Pflichtberatung und sind ganz erleichtert, wenn sie hier freundlich empfangen werden“, erzählt die Sozialarbeiterin Nurșen Aktaș. Freundlich empfangen in jeder Hinsicht: Die Beratungsstelle liegt im vierten Stock eines Bürohauses in Schöneberg in der Nähe des Wittenbergplatzes. Das sorgt für helle, entspannend wirkende Räume, die darüber hinaus gemütlich möbliert sind. Die Büros der Mitarbeiterinnen mit ihren Computern und Schreibtischen sind vom Beratungsbereich getrennt. Die Mitarbeiterinnen – ein 16-köpfiges multikulturelles und interdisziplinäres Team – nehmen sich viel Zeit für die Beratungsgespräche und sitzen am selben Tisch mit der Ratsuchenden.

Wer zu Pro Familia kommt und zum Schwangerschaftsabbruch entschlossen ist, muss sich dafür nicht rechtfertigen. „Es gibt Frauen, die schreckliche Dramen inszenieren, weil sie Angst haben, sonst den Schein nicht zu bekommen“, weiß Monika Häußermann. Die Psychologin findet das jedoch überflüssig. Wenn die Frau sicher ist in ihrer Entscheidung, erhalte sie den Beratungsschein. Ist sie unsicher, werde sie eingehend beraten, bis alle offenen Punkte beantwortet sind. Monika Häußermann: „Zunächst fragen wir die Frauen, ob sie sich bereits entschieden haben. Anderenfalls wird geklärt, wie wir die Entscheidungsfindung unterstützen können, und wir bieten dabei unsere Hilfe.“ Die Entscheidung selbst trifft indes letztlich immer die Frau allein. Und zwar ohne moralischen Druck seitens des Beraterteams: Der ist ohnehin schon groß genug.

„Uns ist es wichtig, dass sich die Frauen wirklich klar machen, was auf sie zukommt“, betont Monika Häußermann. Und so informiert sie mit ihren Kolleginnen unermüdlich über medizinische, soziale, physische und psychologische Aspekte von Abtreibung und Schwangerschaft. Die Beraterinnen halten zudem Adressenlisten von Ärzten bereit, die Abtreibungen übernehmen, und die Ratsuchenden erfahren, wer die Abtreibungspille einsetzt. Dies sei übrigens für viele Frauen oft die bessere Variante, weil dann die Abtreibung ein aktiver Prozess sei. Doch nur wenige Ärzte böten sie an, denn die Kassen zahlten dafür nicht adäquat, und so bevorzugten viele Mediziner die herkömmliche Methode des Eingriffs.

Doch wäre es sehr einseitig, die Beratung bei Pro Familia allein als pflichtgemäße „Abtreibungsberatung“ zu verstehen. Konfliktberatung im Wortsinn heißt eben auch, alle Möglichkeiten durchzusprechen. Wenn sich eine berufstätige Frau beispielsweise dafür entscheidet, in den Erziehungsurlaub zu gehen, dann kommen etwa finanzielle Abhängigkeiten auf sie zu – entweder vom Partner oder vom Sozialamt, sofern sie nicht über eigenes Erspartes verfügt, von dem sie ihren Lebensunterhalt eine Weile bestreiten kann. In solchen Fällen sind also Informationen über monetäre Unterstützung notwendig.

Wo es nötig ist, kann auch eine die Schwangerschaft begleitende Betreuung stattfinden, ferner eine medizinische. Neben anderen steht auch ein behindertengerechter Untersuchungsraum zur Verfügung. Wer nach einem Befund der pränatalen Diagnostik verunsichert ist, kann hier eine zweite Meinung einholen und sich über Hilfsangebote informieren. Denn oftmals wird manche Frau von ihren Ärzten „sicherheitshalber“ allen möglichen Untersuchungen unterzogen und erfährt dann gleichsam nebenbei, dass womöglich eine Behinderung des Kindes zu befürchten ist. Und mit dieser Information wird dann die Schwangere nicht selten allein gelassen – zumal dann, wenn der Austausch mit einem Partner fehlt. Ein Beratungsgespräch kann auch hier helfen, die Lage besser einschätzen zu können.

„Uns ist es wichtig, dass sich die Frauen wirklich klar machen, was auf sie zukommt“

Die Ratsuchenden sind unterschiedlichen Alters, sie kommen aus allen Schichten und Bevölkerungsgruppen. Die Herkunft spielt keine Rolle. „Zu uns kommen in letzter Zeit auch immer häufiger Männer“, weiß Nurșen Aktaș. Entweder begleiten sie ihre Partnerin, oder sie kämen gar allein, um zu erfahren, was als Vater auf sie zukommt – auch in Sachen Sorgerecht und Unterhalt.

In allen Fällen gilt: Das hier Besprochene bleibt in den Beratungsräumen. Keine Frau muss also Angst haben, dass Pro Familia Kontakt zu Behörden aufnimmt und sie damit in eine unangenehme Situation bringt, etwa wenn sich die Ratsuchende ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung in der Stadt aufhält. Monika Häußermann: „Das Gespräch ist immer streng vertraulich.“ KATHARINA JABRANE