Die Ruhe nach dem Schrei

In der Schrei-Ambulanz wird schreienden Babys, unruhigen Kleinkindern und deren Eltern geholfen. Mitunter lässt sich bereits am Telefon „erste Hilfe“ leisten. Die Mütter erhalten Rat und Erklärungen

Endlich ist das Baby da – und Vater, Mutter, Kind müssen in trauter Dreisamkeit glückselig lächeln. So suggeriert es mancher Werbespot. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn plötzlich alles ganz anders kommt. Das Baby ist gefüttert und gewickelt und sollte nun schlafen. Doch daran ist häufig nicht zu denken. Stattdessen füllt sein Geschrei die Räume. Babys Dauergebrüll raubt Eltern den Schlaf und zermürbt ihre Nerven. Die Sorge um das Kind führt sie zum Arzt, der aber die Ursache nicht feststellen kann. Wird die Sorge zur Verzweiflung, beginnt ein Teufelskreis: Das Kind schreit – scheinbar grundlos –, die Eltern, oft die Mutter, sind verunsichert und entnervt, sie reagieren womöglich aggressiv.

Spätestens jetzt sollte man sich an eine Schrei-Ambulanz wenden. „Wir machen oft die Erfahrung, dass sich die Situation bereits durch den ersten Anruf bei uns entschärft“, erzählt Paula Diederichs, Leiterin der Schrei-Ambulanz in der Nachbarschaftsetage der Fabrik Osloer Straße. Mitunter ließe sich bereits am Telefon eine Art „erste Hilfe“ leisten; auf jeden Fall aber werde ein kurzfristiger Termin vereinbart.

Kommen dann Mutter und Kind – nur in etwa 20 Prozent der Fälle ist auch der Vater dabei –, passiert meist Überraschendes: Das Baby, das zuvor tagelang schrie, schläft einfach ein. Die entspannte Atmosphäre in den mit Polstern ausgelegten Räumen der Schrei-Ambulanz ist dienlich für das folgende Gespräch. Paula Diederichs erfragt die Vorgeschichte, sucht nach Gründen und nimmt der Mutter das schlechte Gewissen, sich nicht genug um das Kind gekümmert zu haben. Denn dieser Strudel von Schreien und Schlaflosigkeit führt dazu, „dass manche Frauen in einem katastrophalen gesundheitlichen Zustand sind“, stellt Diederichs fest. Sie seien verkrampft und dächten, sie müssten nur noch „funktionieren“. Dann könnten sie mitunter nicht einmal mehr ihre Babys richtig halten. Die Mütter erhalten Rat und Erklärungen für ihr Verhalten und das des Kindes.

Paula Diederichs macht Krisenintervention. Der erste Termin dauert 60 bis 90 Minuten, insgesamt können es bis zu zehn gemeinsame Sitzungen sein. Schon nach der vierten bis sechsten stelle sich meist eine Besserung ein, weitere Termine dienten der Stabilisierung. Die Kosten werden aus öffentlichen Mitteln und über Stiftungsgelder bestritten. Die Eltern zahlen lediglich einen geringen Eigenanteil von etwa 10 Euro pro Sitzung.

KATHARINA JABRANE

Schrei-Ambulanz Ufa-Fabrik, Tel. 75 50 31 22 (Di. u. Fr). Unter www.trostreich.de und www.nachbarschaftsetage.de findet man weitere Adressen von Schrei-Ambulanzen