berliner szenen
: Brisante Imbissbuden

Schläferjäger

Vampire, Freimaurer, V-Männer, Schläfer – im Verborgenen lauern die Gefahren für unser Gemeinwesen. Vom Bürger ist Wachsamkeit gefragt. Mein Bruder und ich nehmen unsere staatsbürgerlichen Pflichten ernst. Zudem gibt es für das Aufdecken von Schläfern Belohnung und wir brauchen Geld. Unauffällig, nicht von hier, jung, sozial integriert, sprachbegabt, mit feurigen Augen und vor allem nachts aktiv? Wo stecken sie? Von wegen Universitäten. Wir sind schlauer als die Polizei und suchen sie in Imbissbuden, unermüdlich.

Neulich auf der Schönhauser im äußersten Winkel des inneren S-Bahnringes gegen Mitternacht: Kunststoffmarmor, blinkende Automaten, Döner 2,50, das Fleisch kalt, der Salat schlapp, Sixpack-Stapel Schultheiss: Ein Ort des Bösen? Der Zubereiter radebrecht. „Und jung ist er auch nicht mehr – harmlos“, urteilt mein Bruder und spuckt ein Stück Sehne in den Rinnstein.

Weiter. Schöneberg, Hauptstraße: Lahmacum frisch aus dem Ofen, verdächtig preiswert und lecker. „Aber hier esse ich seit Jahren!“ – „Keine Sentimentalitäten!“ warnt mein Bruder. Allerdings schließen sie nachts. Wir bleiben wachsam. Dann einige Tage später in der Bergmannstraße: Tee zum frisch bereiteten Falafel, delikate Süßspeisen, die Preise moderat, das Ambiente angenehm. „Vielleicht noch ein Gläschen Tee?“ Ein Schläfer – eindeutig. „Hörst Du, akzentfreies Deutsch.“ – „Vielleicht ist er von hier.“ – „Aus Berlin und dann kein Alkohol im Verkauf? Nie!“

„Aber er ist glattrasiert.“ – „Alles Tarnung.“ – „Und die auffällige Freundlichkeit?“ Wir kommen ins Grübeln. Wer ist noch mehr im Berliner Milieu integriert? Currywurstbudenbetreiber und Eckkneipenpächter! Schily, übernehmen Sie! CARSTEN WÜRMANN